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Die freien Amazonen - 3

Die freien Amazonen - 3

Titel: Die freien Amazonen - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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erwiderte Gwennis: »Ganz so unwissend bin ich nicht. Ich weiß, dass es sie gibt, wenn auch sonst nichts weiter. Frauen, die wie Männer leben - ist das der Grund …?«
    Hilary nickte. »Domna Calinda ist eine von ihnen. Als ihr Mann jung gestorben war, wollte sie nicht wieder heiraten. Sie lehnte den Mann ab, dem Dom Elric sie versprochen hatte. Man sagt, er sei wütend gewesen, als sie weglief und sich den Amazonen anschloss.«
    Ysabet, das andere Hausmädchen, ein paar Jahre älter, setzte hinzu:
    »Dann starb die letzte Frau des vai dom im Wochenbett, und Domna Calinda kehrte zurück. Beinahe hätte er sie von seiner Tür vertrieben.
    Ich war hier - es war eine schreckliche Szene.«
    »Doch dann ließ er sie bleiben?«, fragte Gwennis, wider Willen neugierig geworden.
    Hilary zuckte die Schultern. »Ihm blieb nichts anderes übrig. Wie sollte er ohne Frau für ein Neugeborenes sorgen? Außerdem hatte sie bei den Amazonen gelernt, die Arbeit eines Schreibers zu tun.«

    »Sie ist nur des kleinen Lerrys wegen zurückgekommen«, sagte Ysabet. »Ich glaube nicht, dass sie es sonst ertragen würde.«
    »Was denn?«, fragte Gwennis.
    »Der vai dom verzeiht ihr nicht, dass sie eine Amazone ist, und lässt sie nie vergessen, dass sie der Familie Schande macht. Ich nehme an, sie wird nur so lange bleiben, bis das arme Kind stirbt.«
    »Was nicht mehr lange dauern wird«, seufzte Hilary.
    Gwennis hatte immer nur flüchtige Blicke auf den Jungen erhascht, wenn er an schönen Morgen unter den Augen seiner Kinderfrau im Hof spielte. »Was fehlt ihm?«
    »Was, weißt du das nicht?« Aus Ehrfurcht vor dem traurigen Thema dämpfte Hilary die Stimme. »Er leidet an einer Krankheit des Blutes. Bei jeder winzigen Schnittwunde besteht Lebensgefahr. Er ist schon mehr als einmal beinahe gestorben.« In diesem Augenblick öffnete sich die Tür. Hilary warf einen Blick zurück und nahm ihre vernachlässigte Arbeit auf.
    Lerrys Kinderfrau Mhari kam aus dem Haus und führte den jungen Lord an der Hand. Er war klein für sein Alter, nicht viel größer als Gwennis’ Bruder, aber abgesehen davon hätte ein zufälliger Beobachter nicht erraten, dass er kränkelte. Trotzdem war diese Tatsache sofort an dem ängstlichen Geflatter der Kinderfrau zu erkennen, als er seine Hand aus ihrer befreite und begann, auf einem Fuß von einem Pflasterstein zum nächsten zu hopsen.
    Mhari setzte sich auf eine Bank in die Nähe der drei Mädchen.
    »Wenn er nur begreifen würde, dass er vorsichtig zu sein hat«, sagte sie. »Andererseits muss unbedingt vermieden werden, ihm vor allem Angst zu machen.« Sie fuhr fort, jede seiner Bewegungen zu beobachten, während sie gleichzeitig über das bevorstehende Mittsommerfest redete. Dazwischen zwitscherte sie dem Jungen ständig Warnungen zu, die ihren Wunsch, ihm keine Angst zu machen, Lügen straften. Gwennis, die die Nervosität der Frau ansteckend fand, ertappte sich dabei, dass sie Lerrys verstohlen aus dem Augenwinkel betrachtete.

    Seines Hüpfseils müde, kletterte er auf eine der Steinbänke an der Wand und versuchte, ein niedrig hängendes Büschel von Schwarzbeeren zu erreichen. »Lerrys, komm sofort herunter!«, befahl Mhari. Ein scharfer Ton war an die Stelle ihrer gewohnheitsmäßigen Ermahnungen getreten. Wie jedes normale Kind schielte er zu ihr hin, ob sie es ernst meine, und kroch einen oder zwei Zoll höher. »Lerrys, ich habe dir gesagt, du sollst herunterkommen!« Mhari stand auf und ging zu ihm.
    Da die begehrten Beeren immer noch außerhalb seiner Reichweite waren, setzte Lerrys ein Knie auf den unteren Sims der Wand. »Nein -
    lass das!« Er drehte sich grinsend zu seiner Kinderfrau um, und ein Fuß rutschte ab. Vergeblich versuchte er, sich mit beiden Händen an der rauen Oberfläche der Wand festzuhalten, und Mhari streckte einen Augenblick zu spät die Arme nach ihm aus. Sich drehend, als wolle er sich abfangen, fiel der Junge auf das Kopfsteinpflaster.
    Das Jammergeschrei des Kindes durchbohrte Gwennis, und gleichzeitig explodierte der Schmerz in ihrem Kopf. Lerrys schrie weniger aus Schmerz als aus Furcht - wenn er auch noch zu klein war, um zu begreifen, dass er vorsichtig sein musste, war er doch groß genug, um sich an die Folgen früherer Verletzungen zu erinnern
    -, aber auch der Schmerz war real. Gwennis drückte die Hände an die Schläfen. Ihre Gedanken suchten nach der Quelle der Qual und quetschten sie zusammen, als wollten sie sie auslöschen. Der Schmerz war wie eine

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