Die freien Amazonen - 3
und zum ersten Mal seit einer Woche sahen sie Liriel und Kyrddis über den Himmel segeln. Später in der Nacht würde auch Marmallor aufgehen, aber bis dahin waren die ersten beiden Monde untergegangen. Idriel zeigte sich zu dieser Jahreszeit erst im Morgengrauen.
Caitrin sah sehnsüchtig zu dem sanften Licht empor. Sie wünschte, sie wäre zu Hause in Thendara und beobachte die Monde aus ihrem Fenster im Gildenhaus. Neben ihr erklang ein langer Seufzer.
»Sieh doch, dort …«, sagte Kiera leise. »Oh, Caitrin! Wie schön!«
Caitrin blinzelte, denn sie hatte plötzlich den verworrenen Eindruck, die Sterne seien auf den Boden gefallen. Dann wurde ihr klar, dass sie das Spiegelbild der beiden Monde im Teich betrachtete, in Stücke zersplittert durch das Wasser, das in schimmernden kristallenen Tropfen wie die Steine von Avarras Halsband von den Felsen weiter oben fiel. Und es war nicht nur das Licht der Monde -
die Luft war voll von Glühwürmchen, bernstein- und amethyst- und rosenfarben, die über dem Wasser schwebten und zwischen den Bäumen umherschossen und an- und ausgingen.
Caitrin nahm einen langen Atemzug von der kühlen, feuchten Luft.
Der Frieden des Ortes beruhigte ihr Gemüt, wie die Luft ihre Haut kühlte. Seufzend sank sie auf das moosige Ufer nieder und bewunderte die raschen, wirksamen Bewegungen Stelles beim Feuermachen. Kiera grub den großen Kessel aus ihrem Rucksack. Sie richtete sich auf, machte einen Schritt zum Rand des Wassers und blieb stehen.
»Da ist etwas - jemand beobachtet uns …« Sie spähte in die Schatten. Caitrin setzte sich sofort auf und musterte den Wald, doch dort bewegte sich außer den Glühwürmchen nichts. Der Wald war dunkel und undurchdringlich. Sogar die Luft schien still zu sein.
»Beeil dich, Kind«, sagte Stelle. »Das Feuer kommt in einem Augenblick in Gang.«
»Ja.« Nach kurzem Zögern beugte sich Kiera zu dem dunklen Wasser nieder und ließ es in den Kessel fließen. Etwas flackerte am äußersten Rand von Caitrins Gesichtsfeld vorbei. Sie fuhr herum und starrte in das Dunkel zwischen den Bäumen, und ihr Fuß begann zu pochen. Plötzlich machte die Schönheit der Nacht ihr Angst.
Sie schüttelte sich. Ich hätte nie zulassen dürfen, dass Stelle und Kiera mitkamen … Dann brachte Kiera das Wasser, und Stelle hängte den Kessel an einen Dreifuß, den sie über dem Feuer improvisiert hatte.
»Gut …«, sagte Stelle. »Jetzt wollen wir mal sehen.« Behutsam hob sie Caitrins Fuß, so dass der Feuerschein darauf fiel, tauchte ein Tuch in das sich erwärmende Wasser und begann, die Wunde zu säubern.
Und von irgendwo viel zu nahe kam ein schrilles Zwitschern. Die Bäume bewegten sich … es waren pelzige Körper, hell in der Finsternis, sie rannten, sie kreisten sie ein, und ihre Augen leuchteten rubinrot im Feuerschein.
Waldläufer! Nein - Waldläuferfrauen, und jetzt hatten sie keine Möglichkeit mehr, vor ihnen zu fliehen. Caitrin mühte sich auf die Füße und zog ihr langes Messer.
»Feo!« Feuer … Dieses Wort fing Caitrin auf, obwohl es durch das Gezwitscher verstümmelt wurde.
»Was ist denn los?«, fragte Stelle ärgerlich. »Regt es sie auf, dass wir hier ein Feuer angezündet haben? Ich dachte, sie benützen das Feuer auch …«
»Nein«, flüsterte Kiera. Sie stand da mit geschlossenen Augen, die Hände auf den Ohren. »Das ist kein Zorn … das ist Ehrfurcht …«
Caitrin fasste ihren Arm. »Die Ridenow-Gabe - benutze sie, Mädchen! Haben sie Angst? Werden sie uns angreifen?«
Kiera zitterte. Von den Ridenows heißt es, dass sie die Gabe der Empathie mit Nichtmenschen besitzen, aber Kiera hatte sie bisher nie anwenden müssen.
»Ich erhalte Bilder …«, flüsterte sie. »Ich sehe Prozessionen, die heranziehen und dem Teich Opfergaben an Waldblumen bringen.
Dies ist ein heiliger Ort, den nur die Frauen aufsuchen … Sie sind verwirrt. Einen Mann, der sich hierher verirrt hätte, würden sie töten, aber wir sind Frauen, und wir haben den Teich allein gefunden, und Stelle … vollzog das Heilungsritual … mit Wasser und Feuer …«
Caitrin drehte sich um und betrachtete die Waldläuferfrauen, ohne Kieras Arm loszulassen. Der Schmerz flutete in Wellen von ihrem Fuß aus durch ihren Körper, aber davon konnte sie sich jetzt nicht beherrschen lassen. Sie ließ Kiera los und balancierte vorsichtig auf einem Bein.
»Zeig ihnen deinen Sternenstein!«
Zitternd gehorchte Kiera. Von seiner Hülle befreit, fing der Matrixkristall das blaue
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