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Die freien Amazonen - 3

Die freien Amazonen - 3

Titel: Die freien Amazonen - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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hatte auf dem Herweg laut verkündet, sie würden auf dem Rückweg in einer Reiseunterkunft Rast machen, und diesmal, behauptete er, werde sie Gefallen daran finden, so dass er sie nicht mehr mit einem Messer zu bedrohen brauche … Aus diesem Grund hatte sie den verzweifelten Schritt getan. Sie konnte es nicht ertragen, nicht noch einmal.
    Reva sah ihre zitternden Hände, die Qual in ihrem Gesicht und stellte keine weiteren Fragen mehr. Es war offensichtlich, dass das Mädchen die Wahrheit sprach und sich fürchtete. »Dann kannst du auch gleich mit uns zu Abend essen. Häng deinen Mantel im Flur auf.« Sie führte Marna in eine große Küche mit Steinfußboden, wo vier Frauen um einen Holztisch saßen.
    »Setz dich neben Gwennis, Marna.« Reva zeigte ihr den Platz. »Sie ist die Jüngste von uns hier, Ysabets Tochter.« Gwennis war ein Mädchen von zwölf oder dreizehn, Ysabet eine untersetzte, muskulös wirkende Frau in den Vierzigern. Neben ihr saß eine große, magere Frau, die Narben trug wie ein Soldat; sie wurde als Camilla n’ha Mhari vorgestellt. Die Letzte war eine kleine, grauhaarige Frau, die sie Mutter Dio nannten.
    »Das ist Marna n’ha Dorilys«, sagte Reva. »Sie ist zu jung für den Eid, aber sie wird hier als Pflegetochter leben, da die für sie verantwortlichen Erwachsenen ihr Vertrauen missbraucht haben. Sie kann ihr Haar abschneiden lassen und versprechen, nach unsern Regeln zu leben, und wenn sie fünfzehn ist, kann sie den Eid leisten.«
    Sie schöpfte für Marna Suppe aus dem Topf über dem Feuer. Mutter Dio, die am Kopf des Tisches saß, versorgte sie dazu mit einer Scheibe des groben Brotes und fragte, ob sie Butter oder Honig haben wolle.
    Die Suppe war gut, aber Marna war zu müde zum Essen und zu schüchtern, um eine der Fragen zu beantworten, die das Mädchen Gwennis ihr stellte. Nach dem Essen wurde sie an das Kopfende des Tisches gerufen, und die alte Frau schnitt ihr das Haar bis zum Genick ab.
    »Marna n’ha Dorilys«, sagte sie, »du bist eine von uns, wenn auch noch nicht durch einen Eid gebunden. Von diesem Tag an verbieten unsere Gesetze dir, dich um Wohnung oder Erbe an einen Mann zu wenden, und du musst lernen, niemanden um Schutz zu bitten und dich selbst zu verteidigen. Du musst arbeiten, wie wir es tun, du kannst deiner edlen Geburt wegen keine Privilegien mehr beanspruchen. Du musst versprechen, jeder anderen Entsagenden eine Schwester zu sein, von welchem Gildenhaus sie auch kommen möge, und für sie in guten und bösen Zeiten sorgen. Versprichst du, nach unsern Gesetzen zu leben, Marna?«
    »Das verspreche ich.«
    »Willst du lernen, dich selbst zu verteidigen, und niemand anders um Schutz anrufen?«
    »Das will ich.«
    Mutter Dio küsste sie auf die Wange. »Dann heiße ich dich bei uns willkommen, und wenn du alt genug bist, kannst du den Eid der Entsagenden ablegen.«
    Marnas Nacken fühlte sich kalt an, und sie kam sich unschicklich entblößt vor; sie sah ihr langes, rostbraunes Haar auf dem Fußboden liegen und hätte weinen mögen. Ruyvil hatte mit ihrem Haar gespielt und ihren Hals gestreichelt, aber jetzt würde kein Mann mehr sagen, sie habe ihn mit ihrer Schönheit verführt! Sie betrachtete die groben, männlichen Kleidungsstücke der Amazonen, die langen Messer, die sie am Gürtel trugen, und erschauerte. Sie sahen alle so stark aus. Wie konnte sie je lernen, sich mit einem solchen Messer zu verteidigen?
    »Komm, Marna.« Gwennis nahm ihre Hand. »Ich bin so froh, dass du da bist, denn bisher hatte ich niemanden, mit dem ich reden konnte - und jetzt habe ich eine Schwester in meinem Alter! Die Mädchen im Dorf dürfen nicht mit mir sprechen, weil die Leute sagen, meine Hosen und mein kurzes Haar seien unanständig. Sie nennen mich ein Mannweib, als könnten die Mädchen etwas Böses von mir lernen - du wirst meine Freundin sein, nicht wahr? Ich meine, du musst meine Schwester sein, weil es das Gesetz des Gildenhauses ist, aber willst du auch meine Freundin sein?«
    Marna lächelte verkrampft. Gwennis war ganz anders als die Mädchen, die sie bisher kennen gelernt hatte, und Marnas Mutter wäre auch nicht mit ihr einverstanden gewesen. Aber Marna hatte ihrer Mutter immer gehorcht, und was hatte ihr das eingetragen? »Ja, ich will deine Freundin sein.«
    »Bring sie nach oben, Gwennis, und zeige ihr das Haus«, sagte Reva. »Morgen werden wir etwas zum Anziehen für sie zusammensuchen - deine alten Jacken und Hosen werden ihr passen, Ysabet. Und du,

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