Die Frequenz: Thriller (German Edition)
wieder im Rennen.
Karin sah Barton in die Augen, und er erwiderte den Blick länger als normal. Er wollte sie nur ansehen und ihren gemeinsamen Erfolg genießen. Es war ein Ritual zwischen ihnen, das nie jemandem aufzufallen schien. Barton lächelte; dann ging er zur Tür. »Davin, setzen Sie die Leute an die Transportsysteme.« Er blieb kurz stehen. »Wie heißen die beiden eigentlich?« Fotos und Stammdaten erschienen auf dem Bildschirm.
»Der Jüngere heißt Wilson Dowling. Er studiert Jura an der Universität Sydney in Pacifica. Er ist im fünften Jahr der Promotion.«
»Das ist eine lange Zeit für eine Dissertation«, meinte Andre. Er selbst hatte die Arbeit in sechs Monaten absolviert.
»In seiner Freizeit fliegt er alte Flugzeuge«, fügte Karin hinzu. »Er ist gesund. Durchschnittliche akademische Erfolge.«
Dez Lewis legte den Kopf schräg. »Er sieht gut aus.«
»Und der andere?«
»Magnus Kleinberg. Er ist politischer Kriminologe, wohnt außerhalb von Prag. Gesund. Gute akademische Erfolge. Sehr groß.« Karin nickte. »Das ist gut.«
»Kleinberg«, sagte Andre. »Das klingt wie eine ausgezeichnete Wahl. Meine Mutter sagt, die Juden sind die Auserwählten.«
»Beide scheinen geeignet zu sein«, meinte Karin.
Barton starrte auf das Foto von Magnus Kleinberg. Dann wurde Wilson Dowling dem gleichen prüfenden Blick unterzogen. Barton rieb sich das Kinn und verkündete: »Bringen Sie beide hierher. Gehen wir kein Risiko ein. Je mehr Optionen, desto besser.«
Barton war der Einzige, der die ganze Geschichte verstand; nicht einmal Karin wusste, worum es wirklich ging. Die Textstellen in den Schriftrollen waren sehr konkret gewesen; er sollte die Wahrheit über das Unternehmen Jesaja für sich behalten – vorerst.
* How to Build a Time Machine, Paul Davies, Allen Lane/Penguin, 2001, S. 78 f.
** ebd. S. 16
6.
Sydney, Pacifica
Frazer House, Universität Sydney
10. Mai 2081
Ortszeit: 11.01 Uhr
13 Tage vor dem Transporttest
Heller Sonnenschein fiel durch den holographischen Fernseher an der Wand von Wilsons Arbeitszimmer. Durch das computergenerierte Bild wirkten die spärlichen Abmessungen des Zimmers größer. Es hatte keine Fenster, und die Luft war kühl. Wilson saß im künstlichen Sonnenschein in einem alten Ledersessel. Ringsherum stapelten sich Bücher, Hunderte, und lagen auf jeder verfügbaren Fläche einschließlich des Fußbodens.
Im Hintergrund erklang klassische Musik.
Wilson klappte den Roman zu, den er gerade gelesen hatte, und betrachtete den Einband. Ohne sich zu erheben, legte er das Buch weg und griff wahllos ein anderes. Als er sah, dass er eine ledergebundene Ausgabe von Dickens’ Geschichte aus zwei Städten erwischt hatte, leuchteten seine Augen auf. Das hatte er schon immer lesen wollen.
Wilson schlug die erste Seite auf und las die ersten Worte laut.
»Es war die beste und die schlimmste Zeit …«
Während er die Seiten überflog, rührte er in seinem Sessel kein Glied. Ab und zu verriet sein Gesicht den Anflug eines Lächelns und manchmal ein leichtes Stirnrunzeln, als er Tausende perfekt gesetzter Worte in sich aufnahm. Im Laufe von zwei Stunden las er ohne Unterbrechung und war restlos in das Buch vertieft.
Ein Klopfen an der Tür störte seine Konzentration. Er ignorierte das Geräusch, doch es wiederholte sich ein wenig lauter. Widerstrebend, mit leicht tauben Beinen stand er auf und fädelte sich durch das Labyrinth von Bücherstapeln und Möbeln zur Tür, um nachzusehen, wer da war.
Als er die Tür aufmachte, traf sein Blick auf ein breites Lächeln und gelbliche, schiefe Zähne. Der Besitzer dieses unschönen Grinsens, Bernie Muhandis, Kurier und Postbote der Universität, stand stolz in seiner grauen Uniform da, neben sich einen dreirädrigen Handwagen mit Briefen und Päckchen. Da er aus Mittelasien stammte, hieß er eigentlich Bagwan mit Vornamen, aber den hatte er in Bernie umgeändert, als er nach Pacifica auswanderte; man passte viel besser nach Australien, wenn man ein Bernie und kein Bagwan war, hatte er sich gesagt.
»Valentinstag!«, sagte Wilson wie immer und streckte die Arme aus, als erwartete er den ganzen Inhalt des Handwagens.
Bernie hob abwehrend die Hände. »Mr. Wilson, es ist ganz sicher nicht Valentinstag! Wie oft muss ich Ihnen das noch sagen?« Obwohl Bernie seit fünfunddreißig Jahren in Pacifica lebte, sprach er noch mit starkem Hindi-Akzent.
»Was haben Sie diesmal für mich?«, fragte Wilson erwartungsvoll und beäugte die
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