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Die Frequenzen

Die Frequenzen

Titel: Die Frequenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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sprechen kann –
    –
Knight Rider?
, fragte Walter.
    – Nein, nein, nein, sagte sein Vater, ein Schwarzweiß-Film mit diesem Erfinder und einem Auto …
    – Also jemand wie du?, fragte mein Vater, und seine Stimme war auf eine eisige Art höflich.
    – Es ist wie verhext, sagte Herr Zmal abgelenkt, ich komm einfach nicht drauf. Da gibt’s einen eigenen Namen dafür. Mein Gott, wie nennt man das, diese Dinger, die sich gegenseitig anstoßen und dann geht das –
    Wieder musste die Wand mit ihrem traurigen Hirschgeweih herhalten.
    Niemand ging darauf ein. Ich wusste, was gemeint war. Ich wusste es, weil mich das, was er meinte, so elektrisiert hatte, als ich es zum ersten Mal sah, dass ich mehrere aufeinander folgende Nächte davon träumte, als wäre es eine Vision meiner eigenen Zukunft.
Weltmaschinen. RubeGoldberg-Installationen
.Meist beginnt es ganz harmlos. Ein Metallstab kippt um, erschlägt ein Seil, das Seil reißt und ein kleiner Spiegel fällt um, und Splitter regnen zu Boden und ein Ballon bläst sich auf, wächst wie eine Kaugummiblase und stößt einen kleinen, melancholischen Duracell-Hasen vom Balkon, der ein Grammophon in Betrieb setzt, an dessen äußerem Ende eine Rasierklinge kreist, und diese Klinge schneidet die Sicherheitsleine eines mit Helium gefüllten Stoffgespenstes durch, und das Gespenst schwebt zur Zimmerdecke, verheddert sich mit dem Deckenventilator, der zum Stillstand kommt und dafür sorgt, dass eine Nuss, die bisher durch die Zentripetalkraft auf dem innersten Punkt eines Rotorblatts gefangen war, zu Boden fällt, wo sie ein Loch in ein Playmobil-Krankenhaus schlägt, in dessen Zentrum eine trotz Tod und Verdammnis versammelte Hochzeitsgesellschaft wild durcheinanderpurzelt, und eines der Männchen legt dabei einen Schalter um, der ein Matchboxauto losfahren lässt, mit Kurs auf den Auslöser eines Feuerzeugs, das eine Flamme produziert, die einen Nylonfaden durchbrennt, und endlich fällt das letzte Stück, langsam wie ein Vorhang im Theater oder ein Fallbeil – bloß damit etwas ganz Banales passiert, ein Frühstücksei wird skalpiert oder eine Zigarre angezündet. Ein großer Aufwand für ein winzig kleines Ergebnis.
    – Mhm, sagte mein Vater. Ich muss kurz –
    Er stand auf und verschwand.
    Nach ein paar Minuten entdeckte ich ihn.
    Er gestikulierte. Meine Mutter bemerkte, dass ich irgendetwas anstarrte, folgte meinem Blick, indem sie sich kurz umdrehte, und sah da hinten ihren Mann, der ihr eindringlich zuwinkte:
Komm, komm her
.
    Ich stand auf und ging zu ihm. Meine Mutter entschuldigte sich und folgte mir, um mich zurückzuhalten.
    – Ich gehe, sagte er.
    – Was ist denn?, fragte meine Mutter.
    – Das fragst du noch? Diese Vorzeigefamilien, alles dieselben. Diese glücklichen, erfolgreichen, kreativen – ich gehe jetzt.
    – Georg, sagte meine Mutter.
    – Wenn du hier bleiben willst, bitte.
    Für einen Augenblick sah es so aus, als würde meine Mutter gerade das tun, dann aber straffte sich das unsichtbare Seil, das zwischen ihr und dem Rücken meines davoneilenden Vaters gespannt war, und sie eilte ihm nach.
    – Jetzt bleib doch stehen, was ist denn passiert?
    Er schritt rasch voran, durch eine Tür, die aus dem Nichts aufgetaucht war, die sich einfach zu unseren Zwecken in der Wand geöffnet hatte. Dahinter überraschte mich blendendes Weiß. Ein Hühnerhof, schmutzig und verschneit, natürlich ohne Hühner, nur ein leerer, niedriger Zaun stand da, der ein verschneites Rechteck bewachte. Mein Vater drängte sich zwischen zwei leeren Regentonnen durch. Sie polterten. Ich war schmal genug, dass ich lautlos durchpasste.
    – Glaubt, er ist was Besseres. Dieser … dieser Architekt! Diese überglücklichen Überfamilien aus dem Bilderbuch, alles dieselben!
    Mein Vater ging, während er vor sich hinfluchte, immer schneller. Er bog um eine Ecke, wir holten ihn ein, dann blieb er plötzlich stehen. Fenster.
    – Duckt euch, sagte er.
    Das war der Punkt, an dem es meiner Mutter zu viel wurde. Sie protestierte. Was sollte dieses alberne Versteckspiel?Man könne die Zmals doch nicht einfach so sitzen lassen. Wenn er nach Hause fahren wolle, bitte, nur zu, aber sie würde ganz bestimmt nicht durch den Schnee robben.
    Der Blick meines Vaters war unerhört bitter. Was konnte einen solchen Blick verdienen?
    – Wie du willst, sagte er und duckte sich.
    Er ging mit langen Ganovenschritten unter dem Fenster durch. Er versuchte sich zu bücken, aber irgendetwas hielt ihn zurück,

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