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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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Patienten merkten nichts, Mina aber schon, sie kochte am Nachmittag statt des normalen entkoffeinierten Kaffee. Ich ging um sechs und fuhr gleich heim, ohne noch Hausbesuche zu machen. Elaine und ich kochten Spaghetti, während Alec noch beim Fußballtraining war. Vor dem Essen schenkte ich jedem ein großes Glas Dolcetto ein.
    Obwohl es uns Spaß machte, wenn es sich ergab, kochtenElaine und ich nur selten zusammen. Meist werkelte sie in der Küche, wenn ich zum Ausgleich hinterher spülte und den Kaffee machte. Ab und zu jedoch überkam es uns, und wir bereiteten etwas Einfaches, Leckeres gemeinsam zu: gebratenes Huhn, Spaghetti und Hackbällchen.
    Ich kämpfte an dem Abend noch mit schlechtem Gewissen und Schreckensschauern, deshalb glaubte ich, Kochen mit meiner Frau würde mich beruhigen. Ich stürzte meinen Wein hinunter, und sie stellte das National Public Radio auf dem kleinen Küchenradio ein, den Börsenbericht.
    Elaine und ich waren lange genug verheiratet, um den Austausch weniger Sätze für eine bedeutsame Konversation zu halten, und das war ja auch in Ordnung. Wir konnten, darauf will ich hinaus, genauso bequem zusammen schweigen wie die meisten Paare, die wir kannten, und hielten den Motor unserer ehelichen Gespräche mit Altbewährtem (Alec, Urlaubspläne, Rechnungen) am Laufen. Jetzt türmte sich in Gestalt der Tochter unserer ältesten Freunde natürlich ein Riesenthema vor uns auf, und ich war nicht bloß froh, Elaine zum Reden zu haben, sondern verquererweise auch darüber froh, etwas Neues zu haben, worüber ich mit Elaine reden konnte.
    »Sie haben dem Baby einen Namen gegeben«, sagte ich so beiläufig, wie ich konnte, während ich Oregano kleinhackte und sie über der Spüle Karotten putzte.
    »Sara, ja«, sagte sie.
    »Du wusstest das?«
    »Iris hat mich gefragt, ob ich wüsste, wie die Regeln bei der Benennung von Toten sind. Wir haben vor ein paar Tagen geredet.«
    »Was hast du ihr gesagt?« Elaine und ich machten schon seit vielen Jahren um unser Judentum kein großes Aufhebens, sie war jedoch in einer halb-orthodoxen Familie in SquirrelHill aufgewachsen, dem jüdischen Viertel von Pittsburgh. Ihr Vater war Kantor gewesen, ihre Mutter hatte über viele Jahre die Frauengruppe der Gemeinde geleitet. Meine Frau hatte eine religiöse Ader, die sie auch gar nicht verbarg, und besaß einige Kenntnisse in der jüdischen Religion.
    »Ich sagte ihr, meines Wissens könnten sie das Baby nennen, wie sie wollten. Überrascht war ich aber schon. Erstens konnte Iris ihre Mutter nie leiden. Erinnerst du dich, wie sie immer geschimpft hat? Und zweitens hätte man doch denken können, der Name sei Lauras Angelegenheit.«
    Ich war so verblüfft, dass ich das Messer aus der Hand legte. »Warum sollte Laura dem Baby einen Namen geben?«
    »Sie ist die Mutter«, sagte Elaine. Es war zehn vor sieben, und draußen begann es zu dämmern. Ich nahm eine Knoblauchzehe aus dem Korb neben dem Fenster und schälte die papierne Haut ab.
    »Sie hat das Kind aber ermordet.«
    »Ermordet? Siehst du das so?«
    »Elaine …«
    »Das weißt du nicht. Wir sind so schnell dabei, andere zu verurteilen, wir alle. Wir wissen doch gar nicht, ob das Baby gelebt hat, wir wissen nicht, was dem armen Mädchen durch den Kopf …«
    »Sie hat ihm den Schädel eingeschlagen.«
    »Du weißt nicht, warum sie das getan hat.«
    »Du meinst also, sie war unzurechnungsfähig?«
    »Ich meine gar nichts«, sagte Elaine. Sie warf die Karotten in die Salatschüssel und wischte sich die Hände an ihrer Jeans ab. »Ich finde bloß, wir sollten unseren Freunden beistehen, und Laura auch. Wir kennen sie seit ihrer Geburt.«
    Ich war ehrlich überrascht von Elaines Argumentation. Nur selten widersprach sie mir mit solcher Entschiedenheit. »Ich stehe ihnen nicht bei?«, fragte ich.
    »Du bist hier nicht der Richter.«
    »Hat das jemand behauptet?«
    »Ich weiß doch genau, was du denkst. Du bist ein Moralist. Du kennst nur Schwarz und Weiß. Grau gibt es in deiner Welt gar nicht.«
    »Was ist so grau daran, wenn man in einer öffentlichen Toilette ein Kind zur Welt bringt und ihm entweder vor oder nach dem ersten Atemzug den Schädel einschlägt?« Sie gab mir mit allem das Gefühl, unverständig zu sein.
    »Du weißt doch nicht, wie es wirklich gewesen ist, Pete.«
    »Aber das sind die Fakten, Elaine.«
    Sie sah mich an, ihre haselnussbraunen Augen kälter, als es mir lieb gewesen wäre. Ich weiß noch, dass ich den seltsamen Wunsch verspürte, ihr

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