Die Freundin meines Sohnes
wirst du nie fahren«, sagte Alec. »Ich glaub, die werden nicht mal mehr gebaut.«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich werd schon eins auftreiben«, sagte er. »Im Internet. Oder bei Ebay.«
»Willst du mich verarschen?«
»Mann«, sagte Neal, »bei Ebay haben sie alles.«
Bei diesen Worten grinsten Joe und ich uns an und starteten zu einer zweiten Runde durch die Räume. Wie Joe ein Kind gezeugt haben konnte, das so wenig mit ihm gemeinsam hatte wie Neal, welche merkwürdigen Chromosomverbindungen so ein Ergebnis produziert hatten – alles genau entgegengesetzt –, war mir schleierhaft. Und trotzdem versetzte mir der Gedanke an Joe und Neal in meinen dunkelsten nächtlichen Stunden manchmal einen Stich vor … na ja, man konnte es schon Neid nennen. Sehnsucht. Neal Stern war eine Leuchte, ein guter Sohn, der eine glänzende Karriere vor sich und eine ausgefuchste kleine Freundin an seiner Seite hatte. Er war noch nie wegen Drogenbesitzes festgenommen worden, und seine Freunde hatten seiner Mutter keine Opalbroschen gestohlen – auch nicht bloß so. Und selbst wenn er manchmal ein bisschen schwer zu ertragen war, bewunderte ich seinen Elan, seine außerordentliche Sicherheit im Hinblick darauf, was das Leben ihm bringen würde. Ruhig, Brauner, sagte ich mir. Alec fängt sich. Hab noch ein bisschen Geduld mit ihm, lass ihm noch etwas Zeit, bald geht er ans College zurück, macht seinen Abschluss, lernt ein nettes Mädchen kennen, ergreift einen Beruf, und wenn Elaine und ich dann unser Haus in der Pearl Street für einen weiträumigen Bungalow mit Seeblick am Lake George in Zahlung geben, investiert Alec in einen Minivan, damit er im Sommer mit den Enkeln kommen kann.
(Ich sollte das nicht so lässig abtun. Es war – und ist – schließlich das, was ich mir im tiefsten Inneren ersehne. Und es ist so einfach. Das sollte nicht so schwer sein. Es ist das, was alle unsere Freunde auch wollen.)
»Und, Dr. Pete, hat Ihnen der Wagen gefallen?«, fragte Laura, als ich sinnend vor einem silbernen Nierentischchen stand.
»Oh«, sagte ich. »Ja, sehr hübsch, aber Autos sind eigentlich nicht mein Ding. Ich brauche sie bloß, um von A nach B zu kommen.«
»Ich dachte, alle Männer stehen auf Autos.«
»Nicht alle.«
»Aha.« Sie setzte ihre Brille ab und putzte sie beiläufig mit einer Ecke ihres T-Shirts, hob es gerade so weit hoch, dass ich einen flüchtigen Blick auf die weiße Haut ihres Bauches erhaschte. Konnte sein, dass sie das nicht beabsichtigt hatte, ich hätte sowieso ja nicht hinschauen müssen, trotzdem senkte ich den Blick zu schnell erst auf ihre Schuhe und dann auf meine.
»Ich bin ein Stadtkind«, sagte ich. »Deshalb waren Autos für uns nicht so wichtig. Mein Vater hat erst eins gekauft, als ich sieben oder acht war. Wir haben öffentliche Verkehrsmittel benutzt, meine Mutter hat nie einen Führerschein gemacht. Das war nicht wie bei euch, ihr bekommt ja alle zum siebzehnten Geburtstag ein Auto.«
»Ich hab zu meinem siebzehnten Geburtstag kein Auto bekommen«, sagte sie. »Und zu meinem achtzehnten auch nicht. Aber das war okay. Ich hätte eh nicht fahren dürfen.«
Sollte die Unterhaltung wirklich diese Richtung nehmen? »Ich vermute, du warst nicht …«
»Ich war zu ängstlich, um den Führerschein zu machen. Den hab ich erst gemacht, als ich auf der Ziegenfarm angefangen habe, vor fünf Jahren vielleicht. Ich musste einen Lastwagenfahren können. An der Highschool, das weiß ich noch, hab ich mir immer angesehen, wie die Älteren mit ihren schicken Autos die fünf, sechs Blocks von zu Hause zur Schule gefahren kamen. Das fand ich so lächerlich. Aber ich war natürlich die Einzige, die den Bus genommen hat.«
»Na ja, bei Alec war das auch nicht so«, sagte ich. »Er hat auch kein Auto zum Geburtstag bekommen.«
»Aha.«
»Er wollte eins.« Und wenn nicht die Sache mit Dan und Shmuley passiert wäre und er sich nicht sein ganzes sechzehntes Lebensjahr so beschissen benommen hätte, hätte er auch eins bekommen.
»Seltsam«, sagte Laura. »Mir kommt er vor wie jemand, der als Kind immer alles gekriegt hat, was er wollte.«
Was sollte das denn heißen? »Wenn er etwas gut macht, wird er entsprechend belohnt«, sagte ich, »und wenn nicht, dazu angehalten, sich anders zu benehmen.«
»Soweit ich mich erinnere, war er ein ganz lieber Junge.«
»Er ist immer noch ein lieber Junge.«
»Aber er hat sich verändert.«
»Natürlich hat er sich verändert.« Worauf wollte sie hinaus?
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