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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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den ganzen Fußboden verstreut die Sachen, die wir ihm vor seinem Auszug gekauft hatten: Kartonmöbel, Behältnisse für Toilettenartikel, der herrliche Samsonite-Koffer. Sein Bett, ein französisches in Überlänge, das drei Viertel des Platzes einnahm, war nicht sehr einladend und ungemacht, unter den verrutschten Laken kam die fleckige weiße Matratze zum Vorschein, die wir ihm in seinem ersten Jahr an der Highschool gekauft hatten, als er plötzlich auf einsfünfundachtzig geschossen war. Ich besah mir das Chaos, wählte dann Elaines Handynummer. Sie ging nicht ran.
    Es war dämmriger, als es hätte sein sollen: Eine der Birnen in der Deckenlampe war durchgebrannt. Ich holte mir eine Trittleiter aus dem Dielenschrank. Wechselte die Birne. Wie vielen Internisten braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln? An diesem stillen Januarabend bloß einen. Ich schraubte die Birne hinein und stellte die Trittleiter zurück. Als wir von dem kleineren, viel billigeren gemieteten Haus in Morningside Heights mit den zwei Schlafzimmern hierher zogen, war ich Assistenzarzt im dritten Jahr, Elaine arbeitete an ihrer Dissertation, und keine Kinder, keine Kinder. Natürlich, das Haus war zu groß und zu teuer. Die Vorstellung aber, dass alle diese Zimmer von unserer künftigen Familie bewohnt werden würden, hatte uns wohl so viel Zuversicht gegeben, es trotzdem zu probieren.
    Ich strich den Matratzenschoner, die dunkelblauen Laken auf dem Bett meines Sohnes glatt. Zog die Vorhänge auf: Fünf Uhr nachmittags und draußen dunkel wie tiefste Nacht, aber die Straßenlaternen in der Pearl Street brannten. Ich wollte das Zimmer richtig aufräumen, wusste aber nicht, wie. Ich wusste nicht, wo seine Sachen hingehörten, und wollte seinen Schrank nicht aufmachen und entdecken, was für Geheimnisse er dort versteckt haben mochte. So setzte ich mich nur auf den Boden.
    Die Sterns waren zwei Jahre nach uns nach Round Hill gezogen und hatten sich ein großes, schickes Haus gekauft, ohne sich Gedanken zu machen, wie sie es bezahlen – Iris hatte gerade bei Merrill angefangen – und wie sie es mit Kindern füllen sollten. Ein geräumiges Terrassenhaus, fünf Schlafzimmer und ein Wohnzimmer, ich weiß noch, wie Elaine und ich bei unserem ersten Rundgang, den Joe und Iris Hand in Hand anführten, staunten. Dann setzten wir uns an ihren neuen Küchentisch aus Glas und Messing und verschlangen Pizza-Peperoni.
    »Iris weiß noch nicht so genau, ob es uns hier gefallen wird«, sagte Joe wenig diplomatisch – wir hatten sie schließlich überredet, auch nach Round Hill zu ziehen. Aber nach mehr als einem Bier war es um Joes diplomatisches Geschick immer geschehen.
    »So habe ich das nicht gesagt«, entgegnete Iris. »Ich frage mich nur, ob wir nicht doch in der Stadt hätten kaufen sollen. Genauer gesagt frage ich mich bloß, wie das gewesen wäre.«
    »Würdest du wirklich gern in der Stadt wohnen?«, fragte Elaine. Das war 1984, als die Columbus Avenue noch eine beängstigende Durchgangsstraße war und nur Lebensmüde sich nördlicher als die 125. Straße wagten.
    »Ach, ich dachte immer, es wäre ganz nett, etwas im Village zu haben. Ein kleines Stadthaus vielleicht, keine Ahnung.«
    »Nicht genug Platz«, warf Joe ein.
    »Ich möchte sowieso nicht in New York City wohnen«, sagte Laura, die in der Küchentür erschien, ein Buch unter den Arm geklemmt. Ihr rotes Haar war lang und strähnig, hing ihr vor die Augen. Sie dürfte damals acht gewesen sein. »Da ist es dreckig.«
    »Es ist nicht dreckig, Schatz«, sagte Iris. »Es ist interessant.«
    »Da liegt Müll auf der Straße.«
    Iris warf mir einen Blick zu, so als sollte ich sie unterstützen. Was ich dann auch tat. »Es wäre vielleicht eine kluge Investition gewesen. Und du hättest dort Spaß gehabt, Laura.«
    »Wir hätten nicht genug Zimmer gehabt«, sagte Joe.
    »Ich hätte dort keinen Spaß gehabt«, sagte Laura.
    »Schon gut«, sagte Iris. »Wir werden nie in der Stadt wohnen, hab schon verstanden.«
    »Wie viele Schlafzimmer braucht eine Familie denn?«, fragte ich.
    »Fünf?«, sagte Joe achselzuckend. »Sechs?«
    »Sechs?«
    »Schwer zu sagen«, sagte er und gab Laura ein Stück Pizza. »Aber vielleicht brauchen wir ja sechs Schlafzimmer.«
    Meine Frau und ich schauten uns an, wir waren entsetzt, versuchten aber, es uns nicht anmerken zu lassen. Sechs Schlafzimmer. Fünf Kinder. Wir schrieben gerade das Jahr vier einer unerklärlichen Unfruchtbarkeit, und die Vorstellung, auch nur

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