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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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Ordnung, Pete?«, fragte meine Frau.
    »Natürlich. Mir geht’s gut.«
    »Du brauchst das nicht zu sagen, wenn es nicht so ist«, erwiderte Elaine und legte die Hand auf meinen Arm.
    »Mir geht’s gut«, sagte ich noch einmal und schüttelte sie ab.
    »Ein Wetter«, sagte sie. »Komisch, was?« Dann ging sie zu dem Grab von jemandem, den sie von früher aus der Grundschule kannte und der zufällig direkt neben meiner Familie begraben lag.
    »Landen wir auch mal hier?«, fragte Alec, nachdem wir Steine auf Onkel Nates und Tante Iz’ Gräber gelegt hatten. »Mir hat’s in Long Island nie richtig gefallen.«
    Ich zuckte mit den Achseln. Elaines Eltern hatten uns – zu unserem Hochzeitstag vor sieben Jahren – zwei Plätze unweit der Grabstelle geschenkt, die sie für sich selbst in Florida ausgesucht hatten. Elaine hatte ihnen einen überschwänglichen Dankesbrief geschrieben – da es ihre Eltern waren und sie sich schon ihr Leben lang mit der Entschlüsselung ihrer bizarren und unangebrachten Liebesbekundungen herumschlug, wusste sie, dass sie es nicht böse meinten. Ich war empört, über den Zeitpunkt des Geschenks genauso wie bei dem Gedanken, die Ewigkeit in einem guanogedüngten Erinnerungspark neben den Eltern meiner Frau zu verbringen. Aber Elaine sagte, ich solle den Ball flach halten, wir würden uns später darum kümmern. Bis jetzt haben wir es nicht getan.
    Alec kickte ein paar Narzissen, die neben Walt sprossen,dem Sohn meines Vetters zweiten Grades. »Das ist doch echt deprimierend hier.« Etwa zwanzig Meter von Walts Füßen entfernt nahmen Autos sich gegenseitig die Vorfahrt, um so schnell wie möglich auf dem Belt Parkway zu sein.
    »Kannst du dir einen Friedhof vorstellen, der nicht deprimierend ist?«
    »Nein«, sagte Alec. »Es ist nicht bloß der Tod, sondern die Vorstellung zu verwesen. Da faulen deine Knochen in einer Mahagonikiste vor sich hin.« Mein Sohn trug ein hellblaues Hemd, einen Schlips und eine Khakihose, die ihm ein klein wenig zu kurz war, so dass ich die Socken sah, die er sich aus meiner Kommode stibitzt hatte. Die Haare hatte er sich mit zuviel Gel nach hinten gekämmt. Noch mit zwanzig hatte er kaum Bartwuchs, stellenweise dafür aber noch verschorfte Akne an der Kinnlinie, wo sich beherzt ein paar Barthärchen nach außen durchkämpften, und ich musste daran denken, dass er bei seiner Bar Mizwa schon fast genauso selbstbewusst gewesen war – und fast genauso groß.
    Von weitem näherte sich mein Bruder wie ein Chasside in einem langen schwarzen Kaschmirmantel, er führte meine Mutter langsam über den Kiesweg am Arm, so als wäre sie körperbehindert. »Alec.«
    »Er sieht aus, als begleite er die Königin«, sagte Alec aus dem Mundwinkel. »Schau mal, wie umsichtig er ist.«
    »Tja«, sagte ich diplomatisch, »dein Onkel ist anderen gern eine Stütze.«
    »Er ist ja auch Anwalt.« Alec griente über seine ironische Bemerkung. »Aber ich glaube, du irrst dich. Ich glaub nicht, dass er das wirklich gern macht.«
    »Dann ist er ein guter Schauspieler.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Er ist schon immer ein guter Schauspieler gewesen.«
    »Entweder man kann’s oder man kann’s nicht.«
    »Hallo, Pete«, sagte Phil und trat vom Kiesweg zu uns. Meine Mutter sah eingefallen aus, klapprig. Sie hatte zwei Monate zuvor ihren dritten kleinen Schlaganfall erlitten, wodurch die rechte Seite ihres Gesichts etwas herabhing.
    »Phil«, sagte ich, machte einen Schritt nach vorn und umarmte meinen Bruder, was von beiden Seiten herzlich unaufrichtig war.
    »Peter«, sagte meine Mutter. »Was für ein Tag das ist. Was für ein Tag!« Sie berührte mich am Arm. »Obwohl, eurem Vater hätte es gefallen, alle zusammen zu sehen.«
    »Geht es einigermaßen, Mutter?«
    »Es war lieb von Phil, dass er mich abgeholt hat«, sagte sie, und ich verkniff mir eine Bemerkung. Phil wohnte eine Viertelstunde von Yonkers entfernt, auf direktem Wege zum Friedhof. In seinem Range Rover war genug Platz für die ganze Familie und den Stock meiner Mutter, sollte sie ihn brauchen. Elaine kam, berührte mich sacht am Rücken und beugte sich etwas vor.
    »Ruth, hallo.«
    »Hallo, Liebes«, sagte meine Mutter, und Elaine musste sich noch weiter vorbeugen, um die Wange auf die Wange meiner Mutter zu drücken. Dann traten die beiden ein wenig auseinander und betrachteten sich für einen Moment gegenseitig, wie sie es immer taten. Elaine, klein und weich und mit ihrem locker fallenden dunklen Mantel passend gekleidet;

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