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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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dassdu mich für ihn lebendig hältst. Ihn an den Menschen erinnerst, der ich war.«
    »Mach ich.«
    Und so hielt ich sie im Arm, bis Rhonda mit ihrem festen Handschlag und ihrem fröhlichen Lachen hereinkam und wir die rührselige Stimmung mit einer beruhigenden Mischung aus Medizinerjargon und schwungvollen Prognosen beiseite fegten, und dann kam die Trage und brachte Elaine weg, und ich lief die 168. Straße entlang, hatte Angst, mich zu weit zu entfernen, konnte aber auch nicht zu nahe am Operationssaal bleiben.
    Als mein Handy zwanzig vor drei klingelte, war sie noch im OP. »Ich will kommen«, sagte Alec. »Sag mir, wie ich euch finde.«
    »Nein, hör mal, ich weiß nicht, wie lange das noch dauert, und wenn sie aus dem OP kommt, wird sie …«
    »Ich will kommen«, sagte er. »Opa hat gesagt, er fährt mich. Bis sie aus dem OP raus ist, bin ich schon da. Es ist doch gleich hinter der Brücke, oder? Wie kommen wir dahin?«
    Er war fünfzehn und zu allem entschlossen, und ich war zu erschöpft, um mich mit ihm streiten zu können. Wie lauteten noch mal die guten Gründe, ihn fernzuhalten? Ich hatte sie vergessen.
    »Ihr nehmt von der Brücke die Ausfahrt 178. Straße und biegt rechts ab auf die Fort Washington Avenue. Sie liegt im Milstein Pavilion. Der Weg dahin ist beschildert. Ruf mich an, wenn ihr am Eingang seid, ich hol euch dort ab.«
    »Okay«, sagte Alec stoisch und bestimmt. »Bis gleich.« Und weil er es ernst meinte, unterbrach er die Verbindung, ohne sich zu verabschieden.
    Zweiundzwanzig Minuten später holte ich ihn und meine Eltern schon ab, mein Vater war auf dem Palisades offenbar hundertdreißig gefahren.
    »Wie geht es ihr?«, fragte meine Mutter. Sie und Alec waren damals ungefähr gleichgroß und hatten dieselben dunkelbraunen Augen und dasselbe leicht spitze Kinn. Bei beiden äußerte sich Angst dergestalt, dass sie heftig und aggressiv wurden. Mein Vater hingegen verwandelte beunruhigende Ereignisse gern in eine Party und steuerte deshalb den nächsten Geschenkladen an, um Luftballons zu kaufen.
    »Es wird ihr schon gut gehen«, sagte ich. »Die Operation dauert eine Weile, weil sie gleichzeitig die Brust wieder aufbauen.«
    »Muss das denn sein?«, fragte meine Mutter. »Vielleicht sollten sie bloß den Tumor rausnehmen und das ein andermal machen.«
    »Mom.«
    »Ich sag ja nur.«
    »Wenn dadurch auf eine Narkose verzichtet werden kann, ist das nur gut.«
    Alec stand mit großen Augen und steifem Rücken da, die Hände an die Seiten gepresst. Er ballte immer wieder die Fäuste.
    »Es sieht alles wirklich gut aus. Vor einer Weile war der Arzt hier und hat mir gesagt, dass es gut aussieht.« Das stimmte nicht. Ich hatte noch keinen Ton vom OP-Team gehört, und zehn Minuten vor Alecs Eintreffen hätte ich mir fast einen OP-Kittel geschnappt und mich hineingeschlichen, um nachzusehen, was da los war. Erst später fiel mir ein, dass das am Columbia nichts genützt hätte – es kannte mich ja niemand. Das hätte mir gleich klar sein können, aber ich war wohl nicht mehr in der Lage, richtig zu denken.
    »Was ist denn mit dem Arzt dort?« Meine Mutter zeigte auf jemanden. »Vielleicht kann er uns etwas sagen?«
    »Weißt du denn, wer das ist, Ma? Weißt du, was er macht?«
    »Er kann uns sagen, bei wem wir uns erkundigen müssen.«
    »Ich weiß, bei wem.« Wir standen immer noch in der zu grell beleuchteten Eingangshalle des Milstein Pavilion, Rollstühle wurden an uns vorbeigeschoben. »Kommt«, sagte ich. »Gehen wir rauf.«
    »Wir bleiben nicht«, sagte meine Mutter. Mein Vater war gerade mit den Luftballons wiedergekommen. »Komm, Hersh, gib Pete die Ballons. Lass uns gehen.«
    »Bist du sicher?«
    »Wir sind zu Hause, wenn etwas sein sollte. Mit dem Auto ist das eine Viertelstunde.«
    »Ich ruf euch an«, sagte ich, mit einem Mal dankbar. Sie wusste, dass ich sie nicht hier haben wollte, und ersparte mir, es ihr sagen zu müssen. »Ich sag euch Bescheid, wie es gelaufen ist.«
    »Drück sie von uns«, sagte meine Mutter, mein Vater überreichte Alec die zirkusbunten Luftballons und gab uns beiden einen Kuss, und dann verließen die beiden leichtfüßig das Gebäude, mein Vater hatte den Arm um die Taille meiner Mutter gelegt. Wenn man mich gefragt hätte, wie viele Lebensjahre ich ihm noch gab, hätte ich gesagt: zwanzig.
    »Komm, Dad«, sagte Alec und hielt die Ballons fest. »Lass uns hochgehen.«
    Schweigend drückten wir uns weitere zwei Stunden außerhalb der chirurgischen Station

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