Die Friesenrose
worden waren. Eine undichte Stelle im Dach hatte repariert werden müssen, und die Wände waren neu verputzt und gestrichen worden. Auch die Löcher im Boden wurden ausgebessert. Handwerker nahmen die einzelnen Dielen auf, sägten die beschädigten Teile ab und ersetzten sie durch neue. DasGanze wirkte danach zwar ein wenig zusammengestückelt, aber als die Dielen dann abgezogen und neu gestrichen waren, bemerkte man die Übergänge kaum noch.
Auf einem Plan zeichneten Sumi und Inken ein, wo die neue Theke stehen würde und die Regale eingebaut werden sollten. Zum Schluss erhielt auch die Möblierung noch einen neuen Anstrich, und alles sah hell und freundlich aus. Blumen schmückten die Fensterbänke und die Theke.
Doch nicht nur die Räumlichkeiten waren wohl überlegt eingerichtet worden. Auch im Hinblick auf das anzubietende Warenangebot hatten Inken und Sumi viel Zeit und Mühe verwandt. Einige Ideen waren wieder verworfen worden, andere noch nicht ausgereift. Eines aber war allen klar: Tee sollte eine der Haupthandelswaren sein. Nicht irgendein Tee, sondern Sumis Sondermischung. Diese hatte eine ganze Wagenladung verschiedener Teesorten bei Janssens Teekiste , einem Großhändler am Hafen, gekauft und ihre ganz spezielle Mischung daraus zusammengestellt.
Einziger Wermutstropfen blieb, dass es ihnen nur mit Tjaldas Hilfe gelungen war, Vertragspartner für die Lieferung der Waren zu finden. War schon der Kauf des Tees bei Janssens Teekiste nicht ganz einfach gewesen, wussten Inken und Sumi Gott sei Dank nicht, wie viel Überredungskünste und Drohungen es seitens der Geldhändlerin bedurft hatte, damit die Bauern aus der näheren Umgebung bereit waren, die Frauen zu beliefern – natürlich nur gegen Bares.
Nachdem diese Hindernisse aus dem Weg geräumt waren, fand sich nun jedoch alles in den Regalen, was das Herz begehrte: Gläser mit Marmelade, eingelegte Früchte, Essiggurken in kleinen Fässern, aber auch Pfannen, Teekannen und -geschirr, Stoffballen, Glasbehälter mit Knöpfen und Bändern. Säcke mit Mehl, Salz und Rohzucker, der mit Schneidklemmenvom Block gebrochen werden konnte, Butterblöcke, Frischwaren wie Käse, Wurst und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Als Genussmittel waren natürlich Schnupf- und Pfeifentabak vorrätig.
In der Ecke standen ein Kasten mit Holzschuhen und – ineinandergeschichtet – viele Körbe unterschiedlicher Größe, daneben verschiedene Besen und Gerätschaften für den Gemüsegarten. Es gab Tran für die Lampen, und auf einem gesonderten Regal lagerten Gewürze und Schokolade. In Molkereikübeln warteten Milch und Buttermilch auf Abnehmer, und Obst stand in Körben bereit.
Auf dem Tresen standen die große Waage, eine Kasse und verschiedene Sorten Bonbons in Gläsern. Darüber schwebte – wie schon zu Willems Zeiten – der bunte Holzdrache, an dessen Unterseite griffbereit Messgeräte und Papiertüten hingen.
Und dann war da – als Krönung sozusagen – die große Blechkiste mit dem Tee. Sumis eigene Zusammenstellung, die sie „Friesengold“ genannt hatte. Sie wartete in einem verschließbaren großen Behälter, der in der wundervoll bemalten Teekiste stand, auf Kunden.
Voller Freude hatten die drei jeden noch so kleinen Fortschritt gefeiert, bis der Laden endlich fertig war! Sie waren oft Tag und Nacht auf den Beinen gewesen und hatten mit viel Mühe ein Kleinod geschaffen, einen Laden, wie man ihn in Emden bislang nicht kannte.
Inken dachte immer wieder an ihren Vater und wie ihm der Laden und die Tatsache, dass sie ihn führte, gefallen würden. Sicherlich gut! Er war in seinem Verhalten ihr gegenüber immer anders gewesen, als es gemeinhin Töchtern gegenüber üblich war. Sogar den Umgang mit der Waffe hatte Inken von ihm gelernt. Sie musste lächeln beim Gedanken an die ob dieses Umstandes Kopf stehenden Insulaner.
„Ich habe zwar keinen Sohn, aber warum soll eine Tochter nicht genauso gut mit Waffen umgehen können?“, hatte er die Unkenrufe ignoriert. „Dem Hasen oder Fuchs ist es egal, ob Mann oder Frau ihn erschießt. Und im besten Fall könnte es Inkens Leben retten.“
Die Insulaner hatten sich mit dem Finger an die Stirn getippt, als sie angefangen hatte, auf Tontauben zu schießen. „Dieser Walfänger ist spinnert“, so sprachen sie hinter seinem Rücken. „Seit dem Tod seiner Frau mehr denn je. Ein Mädchen wird niemals ordentlich schießen lernen. Frauen verstehen sich nicht darauf. Eine ordentliche Köchin sollte er mal
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