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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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abbinden?«
    Um seine ohnmächtige Wut zu ersticken, hielt Evy den Kopf unter den Wasserstrahl des Brunnens. Eine Stunde zuvor hatte Gaby Gurlitch ihm zwischen zwei Unterrichtsstunden hastig zugerufen, daß sie sich sicher am See treffen würden. Er schüttelte sich prustend und fühlte sich fähig, über Stock und Stein bis an den See zu kriechen, um sein Rendezvous nicht zu verpassen, denn Gaby Gurlitch hatte ihn wieder einmal in ihren Bann geschlagen.
    Aber eine Blutung mitten in der Wildnis – mit Raben und Bussarden, die krächzend und schreiend am Himmel kreisten – war nicht ganz ohne. Das war ein echtes Dilemma.
    Während sie ihr Palaver fortsetzten, leerten sich die Stockwerke von Brillantmont, und ein Strom von Schülern strebte rasch dem Ausgang entgegen.
    »Hör zu, das kannst du deinen besten Freunden doch nicht antun«, sagte Andreas mit verzogenem Gesicht. »Es sind die letzten schönen Tage, Alter. Danach müssen wir fünf Monate warten, bis es wieder Frühling wird…«
    Sie gingen durch das Tor und setzten dabei eine ziemlich verbissene Diskussion über die Grenzen der Freundschaft und uneingeschränkten Egoismus fort.
    Evy hörte schon die Bustür, die sich mit einem leisen Zischen von Preßluft vor ihm öffnete, sah schon, wie ihn der Bus vor dem verpesteten Haus absetzen würde, wie er im Halbdunkel seines Zimmers die Decke von allen Seiten betrachtete, während die anderen am See waren, badeten und ausnahmsweise mal ihre Schamteile außerhalb von Bar-Toiletten zur Schau stellten. Was nicht heißen soll, daß er vorhatte, sich an Gaby Gurlitchs Anatomie die Augen auszugucken. Zwei- oder dreimal ihrem Blick zu begegnen genügte ihm vollauf. Auf jeden Fall konnte die Situation schlimmer nicht sein. Glaubte er.
    Bis zu dem Moment, als er seinen Vater entdeckte, der seinen Wagen etwas oberhalb im kupferfarbenen Licht geparkt hatte, er und sein Porsche waren nicht zu übersehen in dieser Umgebung aus geschmolzenem Gold. Nachdem er in seinem weißen Leinenanzug ausgestiegen war, winkte er Evy lässig zu.
    Dieser wäre fast unwillkürlich zurückgewichen, eine durchaus verständliche Reaktion, wie sie die meisten Jugendlichen in der gleichen Situation ebenfalls gehabt hätten. Aber das schlimmste daran, das fast Unvorstellbare dabei war, daß er Richard in Begleitung von Gaby entdeckte, Seite an Seite, und feststellen mußte, bis zu welchem Grad Richard fähig war, seine Nase in Dinge zu stecken, die ihn nichts angingen.
    »Gerettet!« erklärte Andreas.
    Evy glaubte zu träumen. Im allgemeinen führte sich Richard schon verdammt unerträglich auf. Aber seit er sich in den Kopf gesetzt hatte, die Genesung seines Sohns zu überwachen, förderte er dabei einen geradezu zwanghaften Eifer zutage. Evy senkte den Kopf und kicherte nervös.
    Richard erklärte, das sei kein Problem, er sei einverstanden, sie zu fahren, wohin sie wollten. Er habe gerade nichts zu tun. Das treffe sich gut.
    Evy warf ihm einen vernichtenden Blick zu, aber Richard bemerkte es offensichtlich nicht. Wenn es stimmte, was er sagte, war er sogar entzückt, ihnen behilflich sein zu können.
    Sie zwängten sich auf die Rückbank. Gaby stieg vorn ein. Richard bat sie, sich anzuschnallen.
    Dennoch fuhr er recht gemächlich – sie mußten ihn sogar auffordern, einen der Touristenbusse zu überholen, die unentwegt durch diese Gegend kreuzten –, und er sorgte dafür, daß die Unterhaltung nicht abriß, würzte sie mit amüsanten Bemerkungen und ungewöhnlichen Betrachtungen, während sie durch den Staatsforst fuhren.
    Evy haßte die Show, die sein Vater abzog, er fand ihn grotesk. Die Straße führte in Schleifen nach oben, von Farnkraut gesäumt, das von der Sonne durchsiebt wurde, und er scherzte, fuhr mit einer Hand und zeigte ihnen, wie umgänglich er war. Grotesk.
    Wie konnte sich Richard nur so anbiedern? Na ja, dachte Evy, Michèle fand ihn jedenfalls zum Anbeißen, wenn ihn das trösten konnte. Sie fand ihn sogar schon seit der siebten Klasse zum Anbeißen, einer Zeit, als sie noch von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte, und heute schwor sie, daß Richard alles von ihr haben könne, wenn ihm der Sinn danach stand – aber viele Mädchen erwiesen sich mit zunehmendem Alter als total unbrauchbar, total pervers, selbst wenn sie noch Jungfrau waren und nicht mal richtig einen blasen konnten. Na ja, Michèle fand ihn schön. War das nicht grotesk? Dieser Typ mit seinem Porsche und einem Gebiß – Richards Zähne waren vorzeitig

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