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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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locker geworden, ein vorhersehbares Mißgeschick angesichts des hohen Konsums gesundheitsschädlicher Produkte. Dieser Typ mit seinem Porsche 356 und einem Gebiß, verdammte Scheiße! Evy hoffte nur aus ganzen Herzen, daß ihn niemand zum Lachen brachte, da seine Wunde noch nicht richtig vernarbt war. Er war sein Vater, okay, aber er haßte ihn, wenn er sich so aufspielte. Michèle war einfach noch etwas beknackter, als man sie gewöhnlich einschätzte, noch etwas behämmerter, als man sie sich vorstellte.
    Dann bogen sie in den schlechten, stellenweise mit Kies bedeckten Waldweg ein, der zum See hinabführte, und die Karosserie des Porsches schlug ab und zu auf die Buckel, ohne daß sich Richard dadurch aus der Ruhe bringen ließ – so wie die Dinge liefen, hätte er vermutlich nicht einmal angehalten, um eine Radkappe wiederzuholen – bum, bum-bum, bum.
    Im allgemeinen zogen die Besitzer von teuren Autos den anderen See vor – jenen, in dem Lisa ertrunken war –, weil dorthin ein geteerter Weg führte, der direkt auf einem Parkplatz endete, mit einer Bude, in der Limonade und Süßigkeiten verkauft wurden, und einem Schuppen, in dem man Boote mieten konnte. Die Familienväter hatten eine Vorliebe für diesen See. Bei schönem Wetter war dort viel Betrieb – die Luft roch nach Sonnenöl mit Monoi, und die Mütter liefen mit vorgestrecktem Busen am Ufer auf und ab.
    Kurz gesagt, es war kein stilles Plätzchen. Der See dagegen, an den Richard sie so bereitwillig begleitete, wurde kaum von Erwachsenen besucht.
    »Für den Rückweg finden wir schon eine Lösung«, erklärte Evy.
    Richard begnügte sich damit, ihm im Rückspiegel kurz zuzulächeln, denn er mußte sich aufs Fahren konzentrieren, um im Slalom zwischen den ausgefahrenen Radspuren und den tiefen Schlaglöchern den Kurs zu halten.
    Dann tauchte das glitzernde Wasser des Sees in einer Schneise auf, und das Laubwerk wich zurück. Richard stellte den Wagen hinter einem halben Dutzend schräg stehender Autos am Wegrand ab, wandte sich seinen Mitfahrern zu und sagte in bescheidenem Ton: »Stellt euch vor, ich habe sogar daran gedacht, ein paar Badetücher mitzubringen.«
    Richard ließ sich etwa zwanzig Meter von ihnen entfernt nieder und blickte entschlossen in eine andere Richtung. Trotzdem war Evy nicht so entspannt, wie er es gern gewesen wäre.
    Gaby machte ihn sowieso nervös.
    Sie schien sich dessen bewußt zu sein und betrachtete ihn mit belustigtem Interesse, während er sich mit trockener Kehle bemühte, den ganzen Quatsch abzustreiten, der über seine Verletzung und deren Anlaß erzählt wurde, wo es sich doch nur um einen banalen Unfall handelte – um ein Experiment, über das er sich nicht weiter auslassen wollte.
    Er behielt seine Hose an. Er hatte nicht ein einziges Haar auf der Brust. Gaby hatte wie die meisten anderen Mädchen nackte Brüste. Sie war Andreas und Michèle nicht gefolgt, die sofort in den See gesprungen waren, hatte sich nicht den Jungen und Mädchen ihres Alters angeschlossen, nicht ihren Walkman angestellt und gar nichts, sondern hörte ihm zu. Er hatte den Eindruck, daß sie jede Einzelheit seines Gesichts studierte.
    »Ein Experiment? Was für ein Experiment?«
    Er zog es vor, nicht darüber zu sprechen.
    Sie war enttäuscht.
    Nach einer Weile erzählte er ihr, daß Lisa und er ab und zu gefastet hätten. Er fügte hinzu, daß sie die erste sei, der er das erzähle. Es sei vorgekommen, daß sie eine ganze Woche lang nichts gegessen hätten.
    Während sie diese Nachricht aufnahm, überprüfte er, ob Richard sie nicht etwa heimlich überwachte, sondern weiterhin gründlich das gegenüberliegende Ufer sondierte und dabei seine ekelhaften englischen Zigaretten rauchte – manchmal schleppten ein paar Typen ein schreiendes Mädchen herbei und warfen es ins Wasser, und das wollte Richard nicht sehen.
    Gaby runzelte die Stirn. Mit Lisa zu schlafen hatte ihr nicht alle Türen geöffnet, dachte Evy. Offensichtlich entdeckte sie bei ihrer früheren Freundin eine Facette, von der sie nichts geahnt hatte. Aber das war völlig normal, völlig verständlich. Niemand konnte seine Schwester so gut kennen wie er.
    »Das geht in die gleiche Richtung«, erklärte er ihr. »Wenn du verstehst, was ich meine.«
    Das war etwas, was sich nur verdammt schwer erklären ließ. Der Bezug zwischen dem Fasten und dem Umstand, daß er sich Flaschenscherben in den Slip gesteckt hatte.
    »Im Gegenteil. Das verstehe ich sehr gut«, behauptete sie und

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