Die Frühreifen (German Edition)
versucht, Andreas die Situation zu erklären, doch er hatte sie jedesmal brutal zum Teufel gejagt – er hatte sogar Schreikrämpfe bekommen, die unter der Dusche endeten, während die beiden Frauen nach Atem rangen, nachdem sie ihn überwältigt hatten. Er weigerte sich geradezu hysterisch, sich auf dieses Thema einzulassen. Er hielt sich die Ohren zu und beschimpfte sie. Er blickte seine Mutter an, die erneut in Tränen ausbrach, und nannte sie eine alte Sau oder eine blöde Lesbe. Dann ging Brigitte auf ihn zu und versetzte ihm eine monumentale Backpfeife, der er nie ganz ausweichen konnte. Es kam auch vor, daß er sich, von heftigen Krämpfen geschüttelt, auf dem Boden wälzte, bis ihm seine Mutter ein Kopfkissen brachte, was die Sache nur verschlimmerte.
Etwa seit er in die siebte Klasse ging, war es zwischen den beiden Seiten zu einem Waffenstillstand gekommen, der allerdings ziemlich labil war, aber trotzdem hielt sich Andreas nur ungern in ihrer Umgebung auf. Die beiden Frauen gingen ihm, wie er behauptete, sehr schnell auf den Wecker, und zwar viel stärker, als sie es sich vorstellen konnten.
Abends schaltete Brigitte mit einer Zigarette im Mund die automatische Bewässerungsanlage auf manuellen Betrieb um, denn sie war überzeugt, daß Pflanzen Gefühle hatten, das Gießen mit der Hand schätzten und für diesen im Grunde durchaus legitimen Beweis der Aufmerksamkeit dankbar waren und sich geschmeichelt fühlten. Es war schwer zu sagen, ob sie das im Ernst meinte. Wenn es draußen sehr heiß war, begoß sie sich auch die Füße.
Sie forderte sie auf, auch ihre Füße abzuspülen, und hielt ihnen den Schlauch hin. »Na, habt ihr schön gebadet?« fragte sie. »Erzählt mir, wie es war.«
Unwillig, sich in ein Gespräch verwickeln zu lassen, zog Andreas, ohne eine Sekunde zu verlieren, brummend Michèle hinter sich her ins Haus und überließ es Evy, darauf zu reagieren.
»Sag mal«, fuhr Brigitte fort, während die beiden anderen mit eingezogenem Kopf durch die Tür schlichen, »nun sag aber mal, Evy, ich hab natürlich von deinem Mißgeschick gehört. Geht’s dir inzwischen besser? Ich kann dir nur sagen, du hast mir einen ordentlichen Schrecken eingejagt, mein lieber Mann! Wirklich, sag mal, was für eine seltsame Idee. Ich habe mich eine ganze Nacht lang gefragt, was einen Jungen in deinem Alter oder ganz egal, in welchem Alter, dazu bringen kann, so was zu tun, und mir ist nichts darauf eingefallen.«
Auf der anderen Seite tranken die Fortvilles in der trägen Abendstimmung ein Gläschen im Garten und kümmerten sich um ihre Bonsais, die ihre Blättchen einfach nicht verlieren wollten – noch nicht ein einziges war, den neusten Nachrichten zufolge, durch die Luft gesegelt und auf ihren kleinen Graskissen gelandet. Eine Stunde zuvor hatte sich Laure in Axel Menders Büro in der Firma MediaMax nach allen Regeln der Kunst hammerhart ficken lassen und fuhr jetzt am Steuer ihres Cherokees im Schrittempo über die Allee nach Hause zurück, zutiefst verletzt und allein. Irgendwo gurrte eine Taube. Am anderen Ende des Gartens machte Caroline in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne in einem T-Shirt mit dem Aufdruck ELVIS HURTS und einem Kopfhörer über den Ohren ihre Yoga-Übungen. Ohne ihren Schlauch loszulassen, versicherte Brigitte, daß nichts auf der Welt so ein Opfer verdiente, während Evy sich fragte, ob es wirklich nötig war, den Mund zu öffnen. In der Ferne, hinten im Tal, war ein Schimmer über der Autobahn zu sehen. Der Stau zog sich über mehrere Kilometer in beide Richtungen hin. Richard sagte zu Gaby, daß ihnen wohl nichts anderes übrigblieb, als sich in Geduld zu fassen.
Nachdem ein Schwarm Wildgänse in der Dunkelheit verschwunden war, richtete Brigitte ihren Schlauch auf einen Bougainvilleastrauch, der zum zweiten Mal blühte, und fragte Evy, ob ihm eigentlich klar sei, was für Vorrechte sie genössen und daß man von ihnen zwar keinen Dank dafür, aber eine etwas verständigere Haltung erwarte.
Zumindest hatte Brigitte keine kantige Kinnlade und nicht die Figur eines Eisschranks – viele Männer ließen sich davon täuschen und fielen aus allen Wolken. Als sie die Hand ausstreckte, um Evy zärtlich die Wange zu streicheln, zuckte dieser daher nicht entsetzt zurück.
Ganz im Gegensatz zu den Gesten von Michèles Mutter Marlène Aramentis, die manchmal etwas zweideutig waren. Nein, es war eine freundschaftliche, selbstlose Liebkosung, die tröstend, verständnisvoll und
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