Die Frühreifen (German Edition)
Selbstbewußtsein einen Schubs zu geben?
Sie erreichten gerade noch den letzten Bus, der praktisch leer war, während die Sonne hinter dem Kamm verschwand. Die Türen schlossen sich schon mit einem Zischen, als ein Typ in letzter Sekunde ins Innere hechtete.
»Das war aber arschknapp, Dany«, rief der Busfahrer und bog in die Straße ein, die zum Hügel hinaufführte. »Arschknapp, Dany, nicht?«
»Tu deinen Job und kümmer dich nicht um den Rest«, knurrte Dany, dessen Gesicht glühte, als käme es aus dem Backofen. »Nerv du mich nicht auch noch. Jetzt reicht’s.«
Dann wandte er sich den beiden Jugendlichen zu, die sich ganz hinten in den Bus gesetzt hatten, und grinste sie breit an, wobei er sich an einer Stange festhielt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
›Scheiße!‹ dachte Gaby noch einmal und stellte fest, daß er außerdem noch ziemlich betrunken war.
Tatsächlich stank er nach Alkohol. Er ließ sich auf einen Sitz vor ihnen fallen, und sein Atem verpestete den ganzen Bus. Dieser fuhr jetzt den Hügel hinauf, und der Motor brummte, während die Abenddämmerung die Hänge hinunterzustürzen schien wie eine lautlose Lawine aus flüssiger Kohle.
Mit seinem altmodischen Pferdeschwanz im Stil von Karl Lagerfeld, seinem schütteren, auf dem Schädel klebenden Haar, seinen Turnschuhen und seinen schlabbrigen T-Shirts erweckte Dany Clarence nicht den Eindruck eines Mannes, der glänzende Geschäfte machte. Der Beweis dafür, daß er nicht dumm war.
Und einer Frau blickte er auch selten in die Augen.
»Na, was macht die Liebe?« sagte er glucksend zu dem Jungen. Evy schätzte ihn sowieso nicht sehr. Von einem Typen, der genauso alt war wie Richard und immer noch mit erstaunlicher Hartnäckigkeit Playboy oder entsprechende Magazine las, konnte er nicht mehr erwarten.
»Na, wo kommt ihr denn her?« fuhr Dany fort. »Hm, wo habt ihr euch verkrochen?«
»Nun mal langsam, Dany, kannst du uns nicht mal etwas in Ruhe lassen?« seufzte Evy.
Auch wenn Dany Clarence ziemlich betrunken war, glaubte er zu spüren, wie seine Wange von einer kräftigen Backpfeife brannte.
»Red nicht in diesem Ton mit mir, hörst du? Das mag ich nicht.«
Dany meinte, diese Blagen schuldeten ihm Respekt, wenn sie ihm schon keine Freundschaft entgegenbrachten. Er war zwar nicht ihr Vater, aber er hätte es sein können. Er vögelte sie und versorgte sie mit Dope, okay, aber er ließ es nicht zu, daß irgend jemand die Aufrichtigkeit der Gefühle, die er für sie empfand, in Zweifel zog. Vor allem für Evy, den er noch in kurzen Hosen gekannt hatte und den er an manchen Tagen aufzumuntern versucht hatte, indem er Lisa und ihn besuchte, während Richard mal wieder in einer Klinik lag und Laure vor der Kamera stand. Er, Dany Clarence, hatte Mitleid mit diesen Kindern gehabt. Und sie schuldeten ihm dafür Respekt, auch wenn er besoffen war, auch wenn er kurz davor war, ihnen ins Gesicht zu kotzen – nicht etwa wegen des Alkohols, den er im Blut hatte, sondern wegen der Wut, die in ihm steckte.
Und auch wegen des Frusts, der in ihm steckte, weil er nicht auf seine Kosten gekommen war und Gaby nicht hatte vögeln können, wie er vorgehabt hatte, nachdem er unerwartet hatte in die Stadt fahren müssen, um etwas zu erledigen.
Evy hatte sie bestimmt gevögelt, sagte er sich finster. Wieder einmal hatte sich Evy der Karten bemächtigt und verteilte sie, wie es ihm gerade paßte. Und obendrein hatte er jetzt ein Verhältnis mit Gaby, und das machte die Sache noch komplizierter. Seinetwegen war sie immer seltener verfügbar, und Mädchen wie sie waren selten. Eine Schönheit von knapp achtzehn Jahren, die den absoluten Durchblick hatte. Es war leichter, einen Diamanten unter dem Huf eines Maulesels zu finden, ohne Scherz. Ganz abgesehen davon, daß Lisa nicht mehr lebte.
Inzwischen hatte der Bus brummend seine Fahrtgeschwindigkeit erreicht, suchte den Wald mit seinen großen gelben Augen ab und beleuchtete in den Kurven mit einem leisen Quietschen der Reifen, ccrriiiii …, das in keinem Verhältnis zur Größe des Fahrzeugs stand, die hohen Stämme, während Dany Evy wütend anstarrte.
»Ich rate dir, den Mund zu halten«, zischte Gaby leise.
»Was habe ich denn gesagt? Ich hab nicht mal den Mund aufgemacht. Hast du irgend etwas zu verheimlichen?«
»Paß auf, daß du dich nicht verrechnest, Dany. Mach das besser nicht.«
»Das ist ja wohl ein starkes Stück, also so was. Wirklich ein starkes Stück. Soll das vielleicht eine
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