Die Frühreifen (German Edition)
konnte, als Geschenk, als Dankesbezeugung, als Beweis seiner Hingabe und seiner festen Entschlossenheit, ihr das Leben so süß wie möglich zu gestalten.
Sie erklärte sich bereit, darauf zu verzichten, ihm als Gegenleistung einen zu blasen, wenn er keinen Wert darauf lege, denn anscheinend hatte sie alle Hoffnung aufgegeben, zu begreifen, was in diesen seltsamen Typen gefahren war, diesen Jungen mit seinen Sprüchen über die Reinheit und das Dunkle des Sex, der abgesehen davon aber durchaus reizend war, ihr jeden Wunsch von den Augen ablas und es verstand, ihr einen Orgasmus zu verschaffen, wenn sie nicht gerade zu sehr zugedröhnt von diesem Teufelszeug war, das saumäßig gut war, seit der Anbau in Afghanistan wieder ins Rollen gekommen war, wenn man Dany Clarence glauben durfte, der die Schlappe aus der Nähe verfolgte, die die westlichen Länder dort wieder einmal erlebten.
Leider war es nicht gerade billig, aber das war ja allgemein bekannt.
Gaby behauptete, das Geld stamme von ihrer Großmutter, aber wer außer Evy nahm ihr das schon ab? Außer Evy, der zu Hause alles loseiste, was loszueisen war – die Taschen seiner Großeltern bildeten eine willkommene Ausweitung seines Jagdreviers –, um eine einfache Dosis kaufen zu können, wer nahm ihr das schon ab?
Evys Mißverständnis ging auf die Tatsache zurück, daß er Gabys Konsum bei weitem unterschätzte. In Wirklichkeit nahm sie dreimal soviel von dem Pulver, wie er glaubte, dreimal soviel, wie sie ganz locker zugab – als wolle sie sich selbst davon überzeugen, aber dieses Zeug war wirklich derart super, derart wirksam, um die Leeren aller Art zu füllen, die das tägliche Leben jedes normal veranlagten Menschen zwangsläufig verdüsterten, daß es, wenn nicht unmöglich, zumindest völlig unwürdig, ja völlig vulgär gewesen wäre, dagegen anzukämpfen.
Sie fand es ziemlich hart, daß sie von den dreien diejenige war, die übriggeblieben war, viel härter, als sie es sich vorgestellt hatte, und das trotz des Balsams eines flammenden Herbstes, von dessen Schönheit ich nicht ein Zehntel beschrieben habe, da es mir am Herzen liegt, nicht den tadellosen Verlauf dieser Erzählung zu bremsen, nur um meine persönlichen Neigungen zu befriedigen – Evy und ein paar andere könnten mir sonst zu Recht den Vorwurf machen, meine Person in den Vordergrund zu rücken, in einer Geschichte, in der sich meine Rolle darauf beschränken sollte, Dinge zu notieren, Tatsachen zu berichten und die Namen von Vögeln oder Pflanzen zu überprüfen. Aber was soll’s. Gaby lag also noch mit blankgewienerter Spalte schweißüberströmt auf dem Bett, und der gute Junge, der ihr diesen Liebesdienst erwiesen hatte, war gerade dabei, sich mit einer zinnoberroten Flüssigkeit gegen Zahnsteinbildung den Mund zu spülen, als es an der Tür klingelte.
Es war Dany Clarence. Scheiße. Es war Dany Clarence. Sie trat einen Schritt von dem Spion zurück und wandte sich Evy zu, der mit aufgeblähten Wangen und fragend hochgezogenen Brauen wie angewurzelt im Türrahmen des Badezimmers stand. Sie gab ihm durch ein Zeichen zu verstehen, er solle keinen Lärm machen. Die Klingel schrillte erneut. Vor dem Fenster bewegte sich ein Vorhang aus mandelgrünem Seidenkrepp ruhig im Südostwind, der in leichten Böen über den Boulevard strich. Aber abgesehen davon bewegte sich nichts mehr: Dany auf dem Flur, Gaby mit gespitzten Ohren hier, splitternackt, den Zeigefinger auf den Lippen, und Evy, meilenweit von der Wirklichkeit entfernt, mit schläfrigem Geist und Wangen, die von einem schaumigen, nach Nelken schmeckenden Mundwasser aufgebläht waren.
Nach einem halben Jahrhundert entschloß sich der ungebetene Gast endlich, sich davonzumachen.
»Ich frage mich, wer das war«, erklärte sie schließlich.
Evy zuckte die Achseln. Wie hätte er auch auf diese Frage antworten können? Er kehrte zum Waschtisch zurück und spuckte das Mundwasser aus.
»Hast du nicht gesehen, wer das war?« fragte er sie, als er einen vorübergehenden lichten Augenblick hatte, ohne wirklich beunruhigt zu sein.
»Wenn ich gesehen hätte, wer das war, hätte ich dir die Frage nicht gestellt.«
»Ja natürlich. Okay.«
»Denk doch mal kurz nach. Es sei denn, du hättest den Eindruck, ich verheimlichte dir etwas. Evy? Ist es das?«
»Nein, überhaupt nicht. Das habe ich nicht damit sagen wollen. Nein, nur hast du durch den Spion geguckt, und daher habe ich gedacht…«
Sie war enttäuscht darüber, daß er alles,
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