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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Gurlitch herum. Das war nicht neu, vor allem seit die beiden anderen nicht mehr lebten, und keiner von ihnen nahm das Gerücht ernst, demzufolge Evy Trendel, dieser halbe Säugling, sie alle ausgestochen habe. Wie auch immer, niemandem gelang es, sich die Blonde zu kapern.
    Im allgemeinen wurde behauptet, ihre lesbischen Neigungen hätten die Oberhand gewonnen und sie habe den blassen Teint jener Mädchen, die sich nur für Miezen interessierten, aber in Wirklichkeit kam es daher, daß sie zuviel kiffte.
    »Hör zu, ich bin alt genug, um zu wissen, was ich zu tun habe«, hatte sie Evy erklärt. »Fang nicht an, mich zu nerven, wenn ich dir einen Rat geben darf.«
    Okay. Er hatte kapiert. Er hatte sich stumm auf die Lippen gebissen. Der finanzielle Aspekt des Problems hatte ihn zu ein paar Bemerkungen verleitet, die er jetzt bedauerte, als er sah, wie sie reagierte.
    Was für ein Idiot war er nur, was für ein verdammter Idiot. Was wollte er damit eigentlich erreichen? Daß sie ihn abblitzen ließ? Daß sie ihn rausschmiß, um nicht mehr die blöden Sprüche zu hören, die er von sich gab?
    Schon damals hatte Lisa ihn zum Teufel geschickt, wenn er zu ihr gesagt hatte, daß er nicht wirklich damit einverstanden sei.
    »So, du bist nicht einverstanden?« hatte sie gesagt. »Tja, das tut mir aber leid für dich. Nicht einverstanden? Wie wär’s, wenn du dich um deinen eigenen Kram kümmern würdest?«
    »Das ist doch der reinste Selbstmord. Irgendwann endest du auf einem Parkplatz und verlangst zwanzig Euro für die Nummer.«
    »Was erzählst du da?«
    »Ich weiß genau, was ich sage. Glaubst du vielleicht, ich sei blind?«
    »Sag mal, was ist denn mit dir los? Komm mir nicht mit so einem Schwachsinn. Sei nicht lächerlich, kapiert? Die Moralpredigten kannst du dir wirklich sparen. Und einen Aufseher brauch ich auch nicht. Sei nicht lächerlich, okay?«
    Und jetzt fing er wieder damit an. Jetzt fing er bei Gaby damit an. War er eigentlich total beknackt? Fühlte er sich stark genug, um völlige Einsamkeit, eine Welt ohne Echo, ein Leben ohne Licht zu ertragen? Deutlicher gesagt, wollte er sich wieder mit den trostlosen Lutschpartien von Michèle begnügen? Den Sport seiner Mutter betreiben? Gaby Gurlitch vögeln ?
    Oder strebte er höhere Ziele an?
    Er hielt besser die Klappe, wenn er die Beziehung aufrechterhalten wollte, die er mit ihr unterhielt, dieses an ein Wunder grenzende Verhältnis.
    Scherz beiseite. Mit jedem Tag, der verging, zog Gaby die Schlinge etwas enger um seinen Hals, so daß er manchmal direkt Mühe hatte, seinen Speichel hinunterzuschlucken. Mit jedem Tag wurde seine Freude größer, egal, ob Gaby völlig zugedröhnt in seinen Armen einschlief oder ob er das Glück hatte, sie zu baden oder ihr ein paar Scheiben Zwieback mit Butter und einer dünnen Schicht jener ausgezeichneten englischen Marmelade zu bestreichen, für die sie eine Vorliebe hatte und die er zu Hause stibitzte, und ihr dazu mit geradezu halluzinatorischer Hingabe einen Tee zu kochen. Vor allem, da sie wußte, was sie tat, wie sie behauptete, nicht fixte und jederzeit aufhören konnte, no problem.
    Auf jeden Fall hatte er, was er sich insgeheim gewünscht hatte: eine Beziehung, die ausnahmsweise mal nicht durch den idiotischen Geschlechtsverkehr verdorben wurde, eine Beziehung, die daher eine Chance hatte, sich auf etwas zu gründen, was ausnahmsweise mal nicht nach Pisse stank.
    Vögeln war eine Sache. Gefühle für eine Frau zu empfinden dagegen etwas ganz anderes. Was er seit Jahren um sich herum sah, was er von der Welt der Weißen, der er angehörte, wußte, stachelte ihn nicht gerade dazu an, diese beiden Dinge miteinander zu verwechseln. Schon bevor er richtig laufen konnte, lieferten sich Richard und Laure mit verzerrtem Mund über seinem Kopf erbitterte Kämpfe über Themen wie Untreue oder Hysterie oder Impotenz oder die Perversität mancher Schauspielerinnen, die sich wie läufige Hündinnen aufspielten, oder auch Fälle von total verzweifelter sex addiction . Richard und Laure hatten ihm in der Zeit, als er die Augen öffnete, ein erbauliches Schauspiel geliefert. Aber mußte er ihnen im Grunde dafür nicht dankbar sein?
    Über das Waschbecken gebeugt, netzte sich Evy an diesem Nachmittag das Gesicht, nachdem er sich lange zwischen den Schenkeln seiner Angebeteten abgerackert hatte, er war weiterhin der Ansicht, daß diese Praktik als solche keinen Geschlechtsverkehr darstellte und eher als Opfergabe angesehen werden

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