Die Frühreifen (German Edition)
in ihrem Garten gaben, waren Dany, Gaby und er noch nicht die schlimmsten Feinde der Welt, aber sie waren auf dem besten Weg dazu – ebenso wie manche Völker ihre Nachbarn von einem Tag auf den anderen abschlachten, ohne daß irgend etwas darauf hingedeutet hätte, und das auch heute noch, zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts, urplötzlich und barbarisch.
Dany wollte sich nicht abwimmeln lassen. Er schleppte sich hinter ihnen her, seine Silberringe glitzerten in der Dunkelheit, sein Blick wurde finster, und seine Speicheltröpfchen wirbelten im Mondschein. Er hinkte, taumelte und machte den Eindruck, er sei am Ende seiner Kräfte, aber er strengte sich an und ließ sich nicht abhängen – murrend und vor Wut schäumend, setzte er hartnäckig diesen Streit fort, den nur er wollte, ohne daß er eine halbwegs verständliche Erklärung dafür abgeben konnte.
Nur eines war inzwischen klar: Er hatte es auf Evy abgesehen. Er spürte deutlich, daß sich sein Zorn auf ihn konzentrierte, während er Gaby mehr oder weniger damit verschonte, weil er irrsinnig geil auf sie war und sie so schnell wie möglich vögeln wollte – vermutlich nicht an Ort und Stelle, auf dieser saumäßig ansteigenden Straße, die ihm zum Kreuzweg wurde, vermutlich nicht hier und, angesichts der Umstände, auch nicht jetzt gleich, nein, nur so allgemein gesagt, weil er einfach irrsinnig geil auf sie war.
Er hatte weiß Gott versucht, Evy auszureden, sich für sie zu interessieren. Er hatte weiß Gott wie oft zu Evy gesagt, er solle sich vor ihr in acht nehmen und ihr nicht zu nahe kommen, aber andererseits hatte er auch keine Lust, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Auf jeden Fall sah man ja jetzt, wohin das führte.
»Glaub nur nicht, daß die Leute blind sind, mein kleiner Freund. Halt dich nicht für schlauer, als du bist« war sein Leitmotiv, die Worte, die er in der einen oder anderen Abwandlung hinter Evys Rücken wiederholte, während die drei, begleitet vom Zirpen der Heimchen am Haus der Aramentis’, der Beverinis, der Storers und wie sie alle hießen, vorbeigingen.
Unterdessen war Richard Trendel dabei, die gut zwanzig Seiten, die er, wie er sagte, buchstäblich seiner Brust entrissen hatte, fieberhaft durchzulesen. Es war acht Uhr abends.
Draußen war es inzwischen dunkel geworden, während er sich in seinen Text vertiefte und dabei vor seinem Schreibtisch auf und ab ging, da er unfähig war, sich auf das Sofa sinken zu lassen, wie er es normalerweise tat, um Anmerkungen an den Rand seiner Drehbücher zu schreiben, über einen Höhepunkt in der Handlung nachzudenken oder Mist in Kacke zu verwandeln. Er war mit sich selbst zufrieden und zugleich frustriert. Einen Augenblick lang war er überzeugt, daß jedes Wort den richtigen Platz gefunden hatte, daß der spezifische Rhythmus seiner Sätze mit der Welt, die ihn umgab, harmonierte, aber im nächsten Augenblick war er sich überhaupt nicht mehr sicher, ermaß die schwindelnde Höhe und den geradezu vorprogrammierten Flop eines solchen Unterfangens, es sei denn, man hieß… – Scheiße, ihm fiel kein Name ein.
Dennoch blieb ihm keine andere Wahl: entweder war es das, oder er existierte nicht mehr.
Seinen Vater um Rat zu fragen kam nicht in Frage. Rose hatte keinerlei Ahnung von Literatur, sie konnte einen Schriftsteller nicht von einem Pferdefuhrwerk unterscheiden. Und was Laure anging… zwischen Laure und ihm gab es viel zu viele ungelöste Probleme, um auf den Gedanken zu kommen, sie zu konsultieren. Wie groß war die Chance, von ihr ein unparteiisches Urteil zu hören? Er mußte wohl oder übel zugeben, daß er nicht mehr mit Bestimmtheit sagen konnte, wie ihr Verhältnis im Augenblick war. Er hatte lange geglaubt, sie werde ihn irgendwann im Schlaf erdolchen, um sich für die Kränkungen zu rächen, die er ihr zugefügt hatte, und daß sie es bisher noch nicht getan hatte, bewies nichts. Er glaubte, daß diese Gefahr weiterhin über seinem Kopf schwebte, egal, ob er die Sache verdiente oder nicht – der Erfolg konnte genauso tödlich sein wie der Mißerfolg. Er dachte, es sei wohl besser, Laure nicht den unangenehmen Eindruck zu vermitteln, daß er noch Lust haben könne, aus der Asche zu erstehen – man soll einen schlafenden Drachen nicht wecken.
Der unerhörte Erfolg, den er früher gehabt hatte, gehörte einer anderen Zeit an. Damals war er gar nicht so gut gewesen, wie gesagt worden war. Er hatte sich davon nicht täuschen lassen. Sein Stil war nicht
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