Die Frühstücksfreundin
dann an den Gast:
»Wenn Karl sie erwartet, kann sie doch mitessen. — Oder haben Sie schon gegessen?«
Christine verneinte, wurde auf Karls Platz gesetzt und begeisterte sich:
»Chinesisch. Ich liebe chinesisches Essen.«
Auf eine Frage Karins entschied sie sich für Stäbchen, die sie geschickt handhabte mit ihren schönen Händen. Anmutig saß sie am Tisch und aß, gelegentlich von Karins Konversation unterbrochen, sehr viel.
»Sie sind also Klientin bei meinem Mann und kennen ihn schon länger?«
Warum lächeln Frauen immer, wenn sie Frauen fraulich fragen? Monalisisch lächelnd schüttelte Christine den Kopf:
»Zu ihm geht man ja nicht unbedingt freiwillig.« Christine aß weiter. Karins Neugier scheiterte an ihrer eigenen Erziehung und an Christines Appetit. Dann kam er endlich, der die Wende bringt, im dritten Akt der Komödie: der Deus ex machina.
»Gut, daß ihr angefangen habt. Entschuldigt. Das war ein Tag.«
Wie Karl den Satz hinwarf, um die Stimmung zu ergründen, an Christine ein beruhigendes Alles in Ordnung richtete, sich einen Teller holte, einen Stuhl an Karins Seite rückte und seinem Heißhunger die Zügel ließ — das war eine imposante Unverschämtheit. »Christine ist unser Gast für zwei bis drei Tage«, verkündete er und ließ sie selber erzählen, wie und wodurch alles dahin gekommen war. Vor acht Monaten hatte sie geheiratet, von der Universität weg. Ihr Mann, gleichfalls Student, mit eigener Wohnung immerhin, politisch progressiv, entpuppte sich privat als reaktionärer Despot. Christine ließ sich nichts gefallen, bestand auf ihrem Recht. Es gab Krach, und nach dem letzten setzte er sie kurzerhand auf die Straße.
Karin sah von Christine zu ihrem Karl.
»Und wie ich dich kenne, kamst du zufällig vorbei.«
»Nicht ganz so.« Karl mußte lachen. »Christine hat eine Freundin, die bei uns in der Kanzlei arbeitet.«
»Ach, ihr kennt euch schon länger?«
»Ich wußte von ihr.«
Karin wandte sich wieder Christine zu.
»Und jetzt vertritt Sie mein Mann gegen Ihren Mann.« Christine schüttelte viel langes Haar.
»Ich weiß nicht. Ich weiß nur, daß er mich anstellen will. Ich habe acht Semester Jura.«
Es war eine jener Antworten, nach der sich aller Augen vom Sprechenden ab und einer anderen Person zuwenden. Karin nickte kühl und aß weiter. Sie ahnte, was sie erwartete. Offiziell, mit Familienanschluß, wie Karl die Geschichte eingefädelt hatte — was konnte sie tun?
Und das Schlitzohr hatte alle Trümpfe in der Hand, brauchte kaum zu lügen, konnte mit Christine gesehen werden, sogar per Du sein.
Robert bewunderte die Geschicklichkeit, da fiel ihm ein, was Sidonie kürzlich gesagt hatte: »Offiziell ist keine gute Rolle. Man hat ein doppelt schlechtes Gewissen, dem eigenen Ehepartner und dem des andern gegenüber. Offiziell macht alles banaler, unzärtlicher und weniger aufregend.«
»Was hast du denn mit ihrem Mann zu tun, wenn du sie gar nicht vertrittst?«
Robert hätte sich auf die Zunge beißen mögen, daß ihm diese Frage herausrutschte. Doch Karl grinste selbstsicher.
»Ein seriöser Arbeitgeber informiert sich. Und wo erfährt er Genaueres als beim sauren Ehemann? Die Scheidung macht keine Schwierigkeiten, da berate ich sie selbstverständlich.«
»Danke.« Christine nickte ihm zu. »Und was hat er gesagt? Oder kann man das gar nicht erzählen?«
Karl kaute und schaute bedeutend, wie ein Schauspieler, der mehr darstellen muß, als er ist.
»Sie sei ein kluges Mädchen, hat er gesagt. Im Haushalt jedoch unbrauchbar, weigere sich zu kochen, Ordnung zu halten und wolle keine Kinder. Lieber ein Auto. Auf das Zeugnis hin kann ich Sie beruhigt engagieren.«
Christine legte die Stäbchen nebeneinander auf den Teller und wandte sich an Karin.
»Ich muß Ihnen ein Kompliment machen. Es hat phantastisch geschmeckt.«
Damit lenkte das kluge Mädchen von sich ab und zwang die Gastgeberin zu einem verhaltenen Lächeln. Alle lobten hinterher, Karin gab die Komplimente an Franziska weiter, deren Obstsalat noch ausstand. So kam Christine mit ihr ins Gespräch, und da beide einander sofort verstanden, entspannte sich die Atmosphäre. Franziska bekannte sich zu ihrer Freude zu
Kochen, Haushalt und Kindern. In einem Punkt stimmte sie mit Christine überein: »Auto finde ich sehr wichtig. Es macht eine Frau unabhängig. Aber was rede ich? Ich habe noch nicht einmal den Führerschein.«
»Machen Sie ihn! So bald wie möglich.« Christine sah Robert an, mit Wärme,
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