Die Frühstücksfreundin
Dame«, schwelgt Karl. »Gescheit, witzig, genau mein Typ! So eine Frau trifft man nur selten im Leben. Was schaust du mich denn so an? Ich bin begeisterungsfähig, Gott sei Dank. Man lebt schließlich nur einmal. Aber das begreifst du ja nicht. An das Format kommst du gar nicht ran.«
»Und wie kommst du ran?«
»Routine. Ich rede über alles mögliche. Wo sie einhakt, hake ich auch ein. Sie hat bei Antiquitäten eingehakt.«
»Aber davon verstehst du doch überhaupt nichts.«
»Deswegen habe ich sie erzählen lassen. So geht das.« Obwohl ihm Karls Aufreißergehabe zutiefst zuwider ist, genießt Robert die Demütigungen, nickt nur, damit er weitererzähle, und Karl zögert nicht.
»Leider ist sie verheiratet. Ihr Mann heißt übrigens auch Robert. Ist aber ein ziemlich alter Knabe...« Er kramt in der äußeren Brusttasche seines kleinen Pinguins. »Sie hat mir ihre Telefonnummer gegeben. Hier. Was starrst du mich denn an, Junge, wie ein Weltwunder? Vielleicht bin ich eines. Auf jeden Fall laß ich die edle Dame so schnell nicht mehr los.«
Robert hält die Hände unter den Trockenfön.
»Und sie, die edle Dame? Läßt sie dich auch nicht mehr los? Alter Angeber!«
»Was heißt hier Angeber? Nächste Woche treffen wir uns zum Lunch. Und dann wird man weitersehen.«
Für den letzten Satz, gesprochen zu genüßlichem Händereiben unter dem Trockenfön, hätte Robert ihn ohrfeigen mögen. Wo nahm der Kerl die Frechheit her? Warum gab Sidonie ihm die Telefonnummer? Sie verlassen das Sanitärséparée, kehren zum Tisch zurück, wo Karin sitzt, wo Franziska sitzt.
»Wir möchten gehen«, sagen beide fast gleichzeitig. Mit einer winzigen Kaffeetasse in der schweren, reichbestückten Hand erscheint Omilein im Lichtbogen. »Da seid ihr ja alle wieder. Weil mir niemand einen Kaffee gebracht hat, mußte ich ihn mir selber holen. Ein scheußlicher Kaffee nebenbei.«
»Sonst hätte ich dir längst einen gebracht«, sagt Karl mit Karlibubiblick, und Omilein strahlt. Sie setzt die Tasse ab, die sie ohne Unfall über die ganze Strecke von der Eingangshalle hergebracht hat. Prüfend schauen die Augen aus dem Runzelbeet.
»Wollt ihr denn schon gehen?«
»Unsere Damen wollen gehen«, intrigiert Karl gleichsam hinter Mutters Schürze hervor; die Elefantenaugen mustern die Damen, die da ungefragt gehen wollen, Omilein legt den Kopf zurück in die allervornehmste Pose und verkündet:
»Reisende soll man nicht aufhalten. Ich möchte jedenfalls noch einmal mit dir tanzen. Komm, Karli!« Schon hat die schwere, reichbestückte Hand den Sohn gegriffen, zieht ihn fort, zum Lichtbogen. In solchen Augenblicken werden alte Menschen bewundert, ohne daß die Sympathie sich zwangsläufig steigert. Die drei sehen ihnen nach.
»Beschließen wir den festlichen Abend«, sagt Robert.
Tango tropft herein wie lila Sirup, Omileins Rüstigkeit zuckt in Erinnerungen, stolz, rhythmisch, spanisch. Karl stampft mit den Absätzen wie ein flamencotrunkener Tourist. Den imaginären Fächer über den Kopf haltend, tritt Omilein in die Lichtschleuse. Zuerst sah es aus, als sei ihr der Viervierteltakt in die Beine gefahren, doch der zweite Arm, den sie unvermittelt nach oben streckt, macht deutlich, daß es ihr weniger um Temperament geht als um Gleichgewicht. Und sie hat Glück. Vor dem schon sicheren Sturz findet die reichbestückte Hand Halt. Mit dramatischem Aufschrei umprankt sie die Hauptschlagader der Festbeleuchtung, das Lichtkabel bricht aus den Schellen, Glühbirnen knallen, und das Sommerfest verwandelt sich zum Glühwürmchenball vereinzelt glimmender Zigaretten.
Aus dem Vier-Minuten-Ei wurde ein Fünfzehn-Minuten-Ei, Sidonie kam nicht ins Schleiflacknest, wo Kaffeeduft in den Damastvorhängen nistete, und nicht ins Café, wo Robert sie anschließend suchte. Ihre Gesundheit ist wankelmütig, aber das war es wohl kaum, sondern der Abend. Feste haben etwas Zuspitzendes in allen Liebes- und Ehelagen. Noch verquerer hätte das Fest nicht verlaufen können.
Wegen Christine hatte es schon Ärger gegeben, als sie am Sonntagmittag bei ihm zu Hause anrief. Franziska nahm das Gespräch entgegen, gab den Hörer an Robert weiter und machte sich in der Nähe zu schaffen, wo es nichts zu tun gab.
Was denn los gewesen sei, daß er sich ohne Abschied davongeschlichen habe, wollte Christine wissen. Höflich entschuldigte sich Robert. Das kluge Mädchen entnahm seinem Satzbau die widrigen Umstände und meinte, er solle einfach auflegen, wenn er nicht
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