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Die fünf Leben der Daisy West

Die fünf Leben der Daisy West

Titel: Die fünf Leben der Daisy West Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Patrick
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Erwähnung des Namens Sydney halte ich die Luft an.
    Cassie ist nicht schon immer Masons Partnerin gewesen. Bis ich fast zehn Jahre alt war, haben wir fünf Jahre lang mit Sydney zusammengelebt. Ich habe sie geliebt wie die Mutter, die ich nie gehabt habe, doch eines Tages hat sie sich in einen anderen Agenten verliebt und ist schwanger geworden. Sie hat das Programm und ihre falsche Familie dann für eine echte verlassen. Seitdem habe ich nicht mehr mit ihr gesprochen.
    Und die Regeln besagen, wer einmal draußen ist, bleibt draußen.
    Nichtsdestotrotz bin ich nach Sydneys Weggang monatelang durchs Haus geschlichen und habe so getan, als wäre alles in Ordnung, während ich nachts in mein Kopfkissen geweint habe undMason heimlich angefleht habe, sie wieder zu uns zu holen. Obwohl ich die Regeln kannte, fühlte ich mich, als hätte man mich entsorgt wie ein altes Paar Schuhe.
    Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich gelauscht habe, und steige die Treppe extra laut weiter hinab, damit sie gewarnt sind. Die meisten Dinge, die das Programm betreffen, bespricht Mason auch mit mir, doch als ich das Labor betrete, verrät mir sein Blick, dass ich besser keine Fragen stellen sollte. Zumindest im Moment nicht.
    »Kann ich Audrey besuchen?«, bitte ich ihn stattdessen.
    Mason hebt eine Augenbraue und die sonst so gleichgültige Cassie sieht mich erstaunt an.
    »Ist das das Mädchen, mit dem du Mittagessen warst?«, will Mason wissen.
    »Ja.«
    »Hat sie dich eingeladen?«
    »Ach, ich schaue einfach mal unangekündigt bei ihr vorbei«, antworte ich sarkastisch und füge hinzu: » Natürlich hat sie mich eingeladen!«
    »Okay«, sagt Mason und lässt den Blick über die Berge von Unterlagen und Laborutensilien an seinem Arbeitsplatz schweifen. »Wann?«
    »Ähm, jetzt.«
    »Gib mir zwanzig Minuten.«
    »Okay.«
    Ich gehe wieder nach oben, schreibe Audrey zurück und dusche, ohne mir die Haare zu waschen. Dann ziehe ich Shorts, ein altes T-Shirt und Flip-Flops an, denn Omaha hat anscheinend noch nicht kapiert, dass es inzwischen Herbst ist.
    Mason besteht darauf, dass ich etwas esse, bevor wir losfahren. Also stopfe ich schnell ein halbes Sandwich und einige kleine Karotten in mich hinein. Auf dem Weg nach draußen greife ich mir noch eineHandvoll roter Trauben. Sie sind köstlich süß und ich schiebe sie mir eine nach der anderen in den Mund, während mich Mason zu Audrey fährt. Ich habe keine Lust zu reden – außerdem könnte ich es mit dem vollen Mund ohnehin nicht – und lasse stattdessen die Gedanken schweifen. Die vielen Trauben in meinem Mund erinnern mich automatisch an meinen dritten Tod.
    Ich war fünfeinhalb Jahre alt und ging in die erste Klasse einer Ganztagsschule, weil Mason irgendwo gelesen hatte, dass dieses Modell besser für Kinder sei. Vielleicht hatte ich nicht gefrühstückt, vielleicht hatte ich während der Pausen aber auch besonders viel Energie verbraucht, vielleicht war ich einfach ein seltsames Kind. Ich weiß nur noch, dass ich an jenem Tag beim Mittagessen total ausgehungert war. Nachdem ich mein Sandwich mit Erdnussbutter und Marmelade in mich hineingestopft hatte, machte ich mich sofort über die Weintrauben her und verschlang eine große Handvoll auf einmal.
    Eine riesige rote Weintraube blieb in meiner Luftröhre stecken.
    Da ich allein an einem Tisch saß – das einzige Kind, das annähernd als mein Freund bezeichnet werden konnte, war ausgerechnet an jenem Tag krank –, bemerkte mich niemand. Anscheinend konnten die Geräusche, die ein würgendes Kind von sich gibt, den Lärm des Speiseraums nicht durchdringen. Als schließlich ein älterer Schüler auf mich aufmerksam wurde, lag ich bereits am Boden.
    Sydney kam in ihrer Verkleidung als Sanitäter und verfrachtete mich in einen geliehenen Krankenwagen, in dem Mason wartete, um mich mit Revive wiederzubeleben. An das meiste kann ich mich natürlich nicht erinnern.
    Fröstelnd und keuchend wachte ich auf. Mein Hals schmerzte von dem Gerät, mit dem Mason die Weintraube herausgeholt hatte. Und die Lunge brannte, weil plötzlich wieder Sauerstoff in sie hineinströmte. Die ersten Minuten war ich vollkommen verwirrt und wusste nicht, was passiert war. Während Mason mir erzählte, dass ich wieder gestorben war, nahm er mich zum ersten Mal in den Arm.
    Aus diesem Grund verspüre ich bei der Erinnerung an diesen Tod sogar eine gewisse Zärtlichkeit.
    »Ich denke, ich muss nicht wiederholen, dass du mit neuen Freunden sehr vorsichtig

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