Die fünf Leben der Daisy West
Spielwiese und gehen dann später noch auf eine Party.« Er sagt das, als könne er sich keinen besseren gemeinsamen Abend vorstellen und ich beiße mir auf die Zunge, um nicht über seine 180-Grad-Drehung zu lachen. Wade würde später einen großartigen Agenten abgeben, wenn er sich nicht so sehr für das Programm schämen würde. Allerdings habe ich eine Weile nicht mit ihm darüber gesprochen. Ich beschließe, es noch einmal zu versuchen.
»Wie läuft der Test?«, beginne ich.
»Gut«, antwortet Wade. »Aber ich darf dir nichts ...«
»Schon klar«, sage ich. »Wie weit seid ihr heute gekommen?«
»Nur die medizinischen Untersuchungen.« Er klingt nicht unbedingt freundlich, aber auch nicht genervt, sodass ich einen weiteren Vorstoß wage.
»Sag mal, Wade, was weißt du noch von dem Tag, an dem sich der Busunfall ereignet hat?«
Wade dreht den Kopf in meine Richtung und starrt mich so lange an, dass ich Angst habe, er könnte von der Fahrbahn abkommen. Ich bin erleichtert, als er sich endlich wieder abwendet.
»Nichts«, antwortet er tonlos und dreht die Musik wieder lauter. Für den Rest der Fahrt tut er so, als wäre ich gar nicht da.
Wie sich herausstellt, ist die sogenannte Spielwiese keinesfalls eine angesagte Kneipe und auch kein Jahrmarkt, vielmehr handelt es sich um einen stinknormalen Fußballplatz.
Und auf dem ist es extrem öde.
Wir hocken mit Wades Freundin Brittney und seinen Freunden Colin und Nate auf den beiden oberen Bänken der beweglichen Zuschauertribüne an einem öffentlichen Sportplatz. Mir ist warm, obwohl ich nur eine dünne Jeans und ein kurzärmeliges T-Shirt trage und die Sonne fast untergegangen ist.
»Woher kennst du noch einmal meinen Freund?«, fragt Brittney misstrauisch und trinkt dann einen Schluck von einem Getränk, das sie erschauern lässt.
»Unsere Väter sind befreundet«, antwortet Wade schnell für mich. Er sieht mich an und lächelt, doch ich sehe die Warnung dahinter: Wag es ja nicht .
»Ach so«, sagt Brittney, während sie ihre seidigen dunklen Haare über die Schulter wirft und dabei mein Gesicht streift.
Wade und Colin sitzen vor Brittney und mir. Nate, der selbst für meinen Geschmack ein wenig zu grüblerisch ist, hat sich vier Reihen weiter unten und ein Stück seitlich von uns niedergelassen.
Colin dreht sich lächelnd zu mir um. Er ist muskulös, blond und blauäugig. Er sieht gut aus, wenn auch lange nicht so gut wie Matt. Colin ist der nette Typ von nebenan und man ist überrascht, dass man in derselben Stadt lebt wie er. Matt hingegen sieht so hinreißend aus, dass man überrascht ist auf demselben Planeten zu leben wie er.
Die penetrante Art, wie Colin mit mir flirtet, finde ich ein wenig abstoßend.
»Fast wäre ich heute Abend nicht gekommen«, sagt er leise und sanft, doch es klingt leider allzu bemüht. Als ich zur Seite blicke, sehe ich, dass Brittney und Wade knutschen. Direkt neben uns. Schnell wende ich mich ab. »Aber jetzt bin ich froh, dass ich hier bin«, fährt Colin fort und mustert mich von oben bis unten. »Schön, dich kennenzulernen.«
»Danke«, sage ich und rücke ein Stück von ihm ab. Dabei versuche ich krampfhaft, nicht nach rechts zu blicken, um bloß nicht die Liebesbekundungen mit ansehen zu müssen, und beobachte stattdessen Colin dabei, wie er einen Schluck aus seinem Becher zu sich nimmt. Doch ich mag nicht einmal die Art, wie er trinkt.
Schließlich tauchen Brittney und Wade wieder aus ihrer Umarmung auf. Zwar bin ich froh, nicht mehr ihren schmatzenden feuchten Küssen lauschen zu müssen, doch die Stille ist unbehaglich. Und der Abend bislang schlicht und ergreifend langweilig.
Ich betrachte den blutroten Inhalt meines Bechers. Mason würde ihn als eine Portion Hirnschaden bezeichnen, aber die mit Wade und seinen Freunden verbrachte Zeit richtet bei mir garantiert mehr Schaden an als der Alkohol. Und immerhin war es Mason, der mich zu dieser Unternehmung gezwungen hat. Schulterzuckend trinke ich den Becher in einem Zug leer.
»Mehr?«, fragt Brittney und scheint mich inzwischen ein wenig lieber zu mögen. Sie hält eine Isolierflasche hoch und schüttelt sie leicht.
»Gern«, sage ich. »Nur zu.«
Ich weiß nicht, wie viele Stunden vergangen sind, als ich auf einem übel riechenden Teppich in einem dunklen, schummrig rot beleuchteten Raum aufwache, dessen Wände vibrieren, weil die Bässe so laut dröhnen. Ich habe auch keine Ahnung, wo ich bin, und für einige Minuten ist es mir noch egal. Mir ist
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