Die fünf Leben der Daisy West
und über uns der endlos weite Himmel. Ich bin zu jedem Bekenntnis bereit. Matt anscheinend ebenfalls.
»Ich bin froh, dass du hierher gezogen bist«, sagt er, den Blick auf die Skyline gerichtet.
»Ich auch«, bringe ich ruhig heraus.
»Ich mag dich sehr«, fährt Matt fort. »Du bist wie ... wie dieser helle Stern, der plötzlich im Dunkeln aufblitzt. Du hilfst mir irgendwie, nicht zu vergessen, dass es auch noch ... na ja ... Positives im Leben gibt.«
Ich habe das Gefühl, im nächsten Moment zu platzen.
»So etwas Schönes hat noch nie jemand zu mir gesagt«, gestehe ich.
»Es ist einfach so.«
Matt drückt meine Hand und ich warte insgeheim darauf, dass er mich küsst, doch nichts dergleichen geschieht. Ich versuche, nicht enttäuscht zu sein und mich stattdessen über seinen festen Griff zu freuen, der mir das Gefühl gibt, alles tun, alles schaffen zu können.
Bis zum Ende der Brücke geht das ganz gut. Dann bekomme ich auf einmal Angst, dass unser spontanes erstes Date vorbei sein könnte. Als würde er das Gleiche empfinden, geht Matt langsamer und bleibt schließlich stehen. Wir lehnen uns gegen das Geländer und bewundern abermals die Aussicht.
»Fahren wir nach Hause?«, fragt er nach einer Weile.
»Oder besorgen wir uns noch etwas zu essen?«, reagiere ich mit einer Gegenfrage.
»Gute Idee«, sagt er und klingt ein wenig erleichtert. Er führt mich über die breite Straße und den Parkplatz zurück auf den vertrauten Beifahrersitz seines Wagens.
»Wie kann es sein, dass du keine Freundin hast?«, platze ich auf dem Weg zu dem Restaurant heraus, das Matt als sein Lieblingslokal bezeichnet. Es ist mir egal, dass ich mich wie sein ganz persönlicher Stalker anhöre.
»Wer sagt denn, dass ich keine Freundin habe?«, fragt er. Entsetzt schaue ich ihn an und bin sofort eifersüchtig.
»Was?!«, rufe ich ein wenig zu laut, was Matt zum Lachen bringt.
»War nur ein Spaß«, sagt er grinsend. »Letztes Jahr war ich mit einem Mädchen zusammen, aber sie hat dieses Jahr mit dem College begonnen und wir hatten das Gefühl, dass es über die Entfernung nicht funktionieren würde. Also ich hatte das Gefühl. Sie wollte die Beziehung eigentlich nicht beenden.«
Zu meiner Eifersucht gesellt sich jetzt auch noch das Gefühl, unterlegen zu sein. Ich kann es kaum mit einer College-Studentin aufnehmen. »Sie ist eine Zicke«, fügt Matt hinzu, der meine Verunsicherung anscheinend bemerkt hat.
Wir lachen beide, was meine Stimmung wieder aufhellt. Dann richte ich den Blick auf die Gebäude, die vor dem Fenster vorbeiziehen, weil ich das Gespräch für beendet halte. Doch als wir an einer roten Ampel halten, schaut Matt zu mir herüber.
»Selbst wenn sie nicht aufs College gegangen wäre, hätte ich Schluss gemacht«, sagt er. »Ich mag jetzt eine andere.«
Als wir einige Minuten später unser Ziel erreichen, stellen wir fest, dass wir, obwohl es Sonntagabend ist, nicht die Einzigen sind, die noch Appetit auf einen Snack haben. Wir müssen einige Male im Kreis fahren, bis wir ein Stück von dem Lokal entfernt einen Parkplatz finden. Nachdem wir aus dem Auto ausgestiegen sind, schlage ich vor, eine Abkürzung durch eine kleine Gasse zu nehmen.
»Das ist nicht gerade das beste Stadtviertel hier«, gibt Matt zu bedenken.
»Ach, es wird schon nichts passieren«, halte ich schulterzuckend dagegen und mache mich einfach auf den Weg. Einen Moment lang sieht es so aus, als wolle er mich allen Ernstes allein gehen lassen. Aber nach einigen Schritten hat er mich jedoch eingeholt. Abgesehen von einer kurzen Begegnung mit einer Ratte erreichen wir das Lokal unbehelligt. Als Matt und ich durch die Tür gehen, dreht er mich zu sich um und schaut mir tief in die Augen.
»Wovor hast du Angst?«, will er wissen.
Die Frage trifft mich unvorbereitet und ich fühle mich angegriffen. Entsprechend übertrieben ist meine Reaktion. »Vor gar nichts«, fauche ich.
Matt sieht mich an wie nach der Balancier-Aktion auf dem Brückengeländer.
»Na gut«, sage ich seufzend. »Vor Bienen. Ich habe Angst vor Bienen.«
Zwei Stunden später, mit dem Magen voller Pommes und zu viel Milchshake, versuche ich krampfhaft den Bauch einzuziehen, als mich Matt zur Tür des Gästezimmers begleitet.
»Das war ein schöner Abend«, flüstere ich und bin mir nur allzu bewusst, dass sich drei Türen weiter das Schlafzimmer von Matts Eltern befindet.
»Ja«, flüstert er zurück und lächelt. Er macht einen Schritt auf mich zu, wie man es im
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