Die fünf Leben der Daisy West
Gott jeden umbringt, der von dem Projekt weiß ...« Sie bricht ab und starrt mich an, denn ich bekomme auf einmal keine Luft mehr und japse, bis ich das Gefühl habe, meine Lungen würden platzen. Megan springt vor Schreck auf.
»Was ist?«, fragt sie.
»Glaubst du, auch Matt ist in Gefahr?«, rufe ich, da mir gerade bewusst geworden ist, was ich dem Jungen, den ich liebe, womöglich angetan habe.
»Nein«, antwortet Megan reflexartig, um mich zu beruhigen. Doch ihr besorgter Blick verrät sie. »Der Unterschied ist, dass Nora deiner Theorie zufolge damit gedroht hat, das Programm auffliegen zu lassen. In Matts Fall weiß aber niemand, dass er davon weiß, und er wird es niemandem sagen.« Sie hält inne. »Stimmt’s?«
»Ja«, antworte ich zögernd. Mir ist unbehaglich zumute. »Zumindest bin ich immer davon ausgegangen.«
»Er wird es nicht tun«, versichert mir Megan leise, als würde sie ihn kennen. »Du hast eine gute Menschenkenntnis. Ich bin davon überzeugt, dass du ihm auch weiterhin vertrauen kannst, selbst wenn er sich gerade etwas kindisch benimmt.«
»Das hoffe ich«, erwidere ich. »Aber ... ach du meine Güte, was ist mit Nora? Womöglich ist ihr Leben ruiniert, nur weil sie mich im Food Court in Omaha gesehen hat.«
»Daran bist du nicht schuld«, wiegelt Megan ab. »Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Sie hat dich vielleicht gesehen, aber sie hätte sich auch nicht darum scheren und dann problemlos in Michigan bleiben können. Abgesehen davon bin ich nicht einmal hundertprozentig davon überzeugt, dass es wirklich so war.«
»Such bitte nach Nora Fitzgerald auf Facebook«, verlange ich, weil ich die Unsicherheit nicht mehr ertrage. Megan kriecht vom Bett und gibt Noras Namen ein.
»Kein Account«, berichtet sie. »Aber vielleicht ist sie einer von diesen Spießern, die was gegen soziale Netzwerke haben. Zu diesem Thema sollten wir übrigens unbedingt mal bloggen.«
»Ist sie sicher nicht«, erwidere ich. »Schau mal nach Gina Geiger. Sie ist Noras beste Freundin.«
»Gut, hier ist Gina«, sagt Megan. »Wow, was ist das denn für ein roter Lippenstift? Ist sie eine Transe?«
»Bleib bei der Sache«, ermahne ich sie. »Sieh dir die Liste ihrer Freunde an.«
»Würde ich ja gern, aber dazu muss ich eine Freundschaftsanfrage an Gina starten. Soll ich das machen?«
»Nein, lass uns einen anderen Weg finden.«
»Ich habe auch die Anfrage an Nora Emerson noch nicht abgeschickt«, sagt Megan und sieht mich fragend an. »Soll ich das lieber machen?«
»Ruhe«, sage ich und hebe warnend die Hand. »Ich denke nach.«
Einen Moment lang ist es still im Raum.
»Wir sollten Nora Fitzgerald googeln und sehen, ob wir ein Ergebnis bekommen«, sage ich schließlich, weil es mir die letzte Möglichkeit zu sein scheint. Megans Nägel klappern auf den Tasten, während ich weiter vor mich hin grübele.
»Hier ist etwas«, sagt sie und klickt auf einen Link. Ich steigevom Bett und trete hinter Megan, während sich die Seite öffnet. Es handelt sich um die Lokalzeitung von Frozen Hills. Als Megan und ich die Schlagzeile sehen, stockt uns beiden der Atem:
TEENAGER AUS FROZEN HILLS BEI AUTOUNFALL UMS LEBEN GEKOMMEN – ALKOHOL WAR IM SPIEL
»Ich fürchte, du hattest recht«, stellt Megan leise fest.
»Das fürchte ich auch.«
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
27
Die ganze Nacht liege ich hellwach da, als ich um fünf Uhr am Morgen ein Klopfen an der Wohnungstür höre. Ich frage mich, ob Alicia wohl jemanden erwartet, während ich sie durch die Wohnung in Richtung Eingang schlurfen höre. Dann vernehme ich ein Flüstern und stelle überrascht fest, dass eine der Stimmen Mason gehört. Schritte kommen näher und die Tür zu Megans Zimmer wird einen Spaltbreit aufgeschoben. Licht dringt hinein.
»Daisy?«, wispert Alicia. »Mason muss mit dir sprechen.«
»Okay«, sage ich leise und klettere über die schlafende Megan hinweg. Ich schleiche mich auf Zehenspitzen durch den Raum und schließe die Tür hinter mir wieder. Sobald ich neben Mason stehe, lässt Alicia uns allein. Das Licht blendet mich und ich muss blinzeln. Weil ich keinen BH trage, halte ich die Arme mit den Händen in den Achselhöhlen vor der Brust verschränkt.
»Ich fliege mit dir zurück nach Omaha«, sagt Mason leise. »Cassie wird den Rest hier allein erledigen. So leid es mir tut, aber Audrey liegt im Koma und wird wahrscheinlich bald sterben.«
Mir fällt die Kinnlade hinunter. Ich
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