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Die fünf Leben der Daisy West

Die fünf Leben der Daisy West

Titel: Die fünf Leben der Daisy West Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Patrick
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und blicke zu meinem Telefon hinüber, das zum Aufladen auf dem Schreibtisch liegt. Mehrere entgangene Anrufe von Megan und eine SMS von Matt werden auf dem Display angezeigt.
    Tut mir leid.
    Nur drei Wörter, die jedoch von monumentaler Bedeutung sind.
    Mehr braucht es nicht. Ich setze mich wieder in Bewegung.
    Ich dusche, föhne meine Haare und stecke die Locken zurück, die mir in die Augen fallen. Lange starre ich im Spiegel in meine blauen Augen und versuche mich zu erkennen. Mein Gesicht sieht anders aus als vorher.
    Ich kehre in mein Zimmer zurück und ziehe ein schwarzes T-Shirt von Audrey an.
    Vielleicht ist es seltsam, die Kleidung einer Toten zu ihrer eigenen Beerdigung zu tragen, aber für mich fühlt es sich richtig an. Audrey war sehr freizügig mit ihren Sachen. Die Hälfte der Kleidung in meinem Schrank gehört wahrscheinlich ihr. Außerdem ist da noch der Brief.
    Mr McKean hat ihn am Abend des Tages, an dem Audrey gestorben ist, vorbeigebracht. Die Aktion kam mir eigenartig vor. Warum ist er nicht bei seiner Familie geblieben? Doch später wurde mir bewusst, dass er wahrscheinlich etwas tun musste, um sich abzulenkenund um nicht über Audrey nachdenken zu müssen. Er ist wie diese Haie, die sterben, wenn sie nicht mehr in Bewegung sind. Deshalb hat er den Brief vorbeigebracht.
    Ich nehme ihn vom Nachttisch und fahre mit den Fingern über Audreys geschwungene, gleichmäßige Schrift, die so viel von ihr widerspiegelt. Zum wiederholten Mal lese ich die erste Hälfte des Briefes:
    Um zwei Dinge möchte ich dich bitten.
    Die erste Bitte ist leicht zu erfüllen: Nimm meine gesamte Kleidung. ALLES. Auch wenn du sie dann wegschmeißt, aber bitte hol sie aus unserem Haus (allerdings habe ich einen ziemlich guten Geschmack – haha! – deshalb solltest du die Sachen lieber behalten).
    Sicher kennst du Menschen, die nicht loslassen können. Sie schluchzen angesichts von alten T-Shirts, die nichts mehr wert sind. Meine Mutter ist so ein Mensch. Sie hebt alles auf. Sie wird sich daran klammern. Meine hässlichsten Schlafanzüge werden ihr das Herz brechen. Nimm sie, Daisy. Tu es für mich (und für deinen Kleiderschrank :-)).
    An der Tür ist ein Klopfen zu hören.
    »Bist du gleich fertig?«, erkundigt sich Cassie leise. Sie klingt nicht so roboterhaft wie sonst, wenn wir zu Hause sind, eher so wie in der Öffentlichkeit.
    »Ja«, antworte ich, falte den Brief und stecke ihn in die Hosentasche. Dann schlüpfe ich in ein Paar Ballerinas und öffne die Tür.
    »Du siehst gut aus«, sagt Cassie.
    Allerdings interessiert es mich nicht.
    Für ein Mädchen, das ihrem Bruder zufolge nicht viele Freunde hatte, ist Audreys Beerdigung brechend voll. Unwillkürlich überlege ich, ob die Schule allen, die daran teilnehmen wollten, freigegeben hat. Dann stelle ich mir vor, wie Audreys Geist meine Gedanken liest, und sofort schäme ich mich dafür, so zu denken.
    Ich atme den moderigen Geruch nach alter Kirche ein. Rege Beteiligung , sage ich zu Audrey, als könnte sie mich hören. Alle haben dich gemocht.
    Da ich noch nie auf einer Beerdigung gewesen bin, kann ich nicht sagen, ob diese typisch ist. Ich weine nicht, denn die zahlreichen Klassenkameraden, die in Grüppchen zusammenstehen und über Audrey sprechen, weinen genug für uns alle. Sie schluchzen. Sie heulen. Theatralisch rufen sie in den Himmel, dass sie ihre beste Freundin vermissen werden. Ich denke unterdessen an Audreys Zimmer. Ich denke an die Gesichter auf den Bildern auf ihrem Schreibtisch. Nur wenige erkenne ich wieder.
    Wieder fühle ich mich schrecklich, so zu denken.
    Nach dem Gottesdienst zieht die ganze Karawane zum nahe gelegenen Friedhof. Der Tag ist hell und klar, genau wie Audrey es war. Die in Rot- und Orangetönen leuchtenden Herbstbäume und die Grabsteine wirken bodenständig und wunderschön zugleich, genau wie meine Freundin es gewesen ist. Alle versammeln sich um ihr Grab. Ich versuche zuzuhören und etwas zu empfinden, auch wenn ich so langsam wegen Unterzuckerung kurz vor der Ohnmacht stehe. Der Tag ist warm, aber nicht heiß. Dennoch schwitze ich und wünschte, Audrey wäre hier, um mich damit aufzuziehen, dass ich das Deo vergessen habe.
    Nach der Beerdigung zerstreut sich die Menge und sehr bald sind nur noch der Pastor, die McKeans und wir übrig. Matt steht ein Stück von seinen Eltern entfernt und starrt auf das Grab seiner Schwester. Mason und Cassie warten, bis Mr und Mrs McKean sich bei dem Pastor bedankt haben, und sprechen

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