Die fünfte Kirche
untergehe, übergieße mich mit Deinem Licht
und Deiner Liebe.
Rufe meinen Namen, bis der Tag kommt,
an dem ich Dich im Kreise Deiner Heiligen für immer preise.
Amen.»
Merrily verließ blinzelnd die Kirche. Es würde ein kalter, strahlender, harter Tag werden.
Als sie ins Haus kam, hatte Jane schon das Frühstück gemacht. Im Radio liefen Nachrichten.
«Mom, in ein paar Minuten bringen sie einen Bericht aus Old Hindwell.»
«Dann stell mal lauter.»
«Und …», Jane räusperte sich, «da ist noch was, das ich dir sagen muss.»
«Kann das nicht warten? Es kommt mir vor, als müsste ich über so viele Dinge nachdenken wie seit der Schule nicht mehr.»
«Nein», sagte Jane. «Das kann nicht warten. Es geht um eine Website, die Kali Drei heißt. Kali, wie die Göttin des Todes und der Zerstörung.»
«Keine von uns», sagte Merrily und nahm sich eine Scheibe Toast. Sie überlegte, wie sie sich am besten Marianne Starkey nähern sollte. Marianne war jetzt besonders wichtig, wenn sie Ellis aufhalten wollte. «Das ist noch nicht mal eine von Bettys Göttinnen.»
«Hörst du mir überhaupt zu?»
«Klar. Tut mir leid.»
«Es gibt da also diese obskure Website, extrem düster, so was wie eine Abschussliste von Leuten, die … der Bewusstseinserweiterung durch Magie im Weg stehen, so was in der Art. Jedenfalls stehst du da auch drauf.»
«Machst du Witze? Na ja, andererseits … es zeigt immerhin, dass ich irgendwas richtig mache.»
«Manchmal machst du mich echt krank, weißt du das?»
«Jane, zu jedem anderen Zeitpunkt würde ich mich vielleicht leicht brüskiert fühlen, weil ein paar Verrückte im Internet eine Fatwa über mich verhängt haben, aber im Moment … stell mal lauter.»
Ärgerlich stellte Jane das Radio viel zu laut. Eine Frau sagte:
«… das an der walisischen Grenze gelegene Dorf Old Hindwell, in dem der Pfarrer einem Hexenzirkel, der eine ehemalige Kirche besetzt hält, den heiligen Krieg erklärt hat. In Old Hindwell ist unser Reporter Tim Francis. Tim, was geht da vor sich?»
«Im Moment nicht allzu viel, Melissa, aber ich nehme an, dass es sich hier um die Ruhe vor dem Sturm handelt, denn heute Abend wollen die Hexen diese ehemalige christliche Kirche wieder ihren eigenen Göttern weihen. Heute ist nämlich das heidnische Fest Imbolg, das offensichtlich jeweils mit dem ersten Hexensabbat des neuen Jahres zusammenfällt.»
«Meine Güte, das klingt aber unheimlich.»
«Eigentlich soll mit dem Fest wohl der keltische Frühling begrüßt werden, das ist ja an sich nicht besonders unheimlich … Jedenfalls, was der Pfarrer, Nick Ellis, als Provokation ansieht, ist, dass die Hexen vorhaben, das Fest heute Abend in der ehemaligen Kirche St. Michael zu feiern und die Kirche dabei zu einem heidnischen Tempel zu weihen.»
«Und werden sie dabei auch nackt tanzen, Tim?»
«Gott, ist das armselig», sagte Jane.
«Ich denke, damit muss man rechnen, ja. Gestern Abend habe ich mit dem neuen Eigentümer der Kirche gesprochen, mit Robin Thorogood, der versucht hat, die Situation zu beruhigen, als er hier am Eingang seines Hofes mit Nick Ellis geredet hat.»
O-Ton Robin Thorogood, im Hintergrund ist Regen zu hören: «Wir haben Ihre lausige Kirche nicht mal angerührt. Es gibt hier keinen Drachen und keinen Teufel. Also … gehen Sie einfach wieder und richten
Sie Ihrem Gott aus, dass wir Ihm Ihre Verrücktheiten nicht vorwerfen, o. k.?»
Tim sagte: «Tja, Melissa, diese versöhnliche Haltung hat offensichtlich nicht lange angehalten, denn auf dem Hof hält sich inzwischen ungefähr ein Dutzend Hexen auf, und ihr Anführer hat früher der Vereinigung der Britischen Heiden angehört und ist ein bekennender Befürworter der heidnischen Religion – Ned Bain …»
Jane schnappte nach Luft.
«…, der jetzt hier bei mir ist. Mr. Bain, man bekommt den Eindruck, Sie erhöhen den Einsatz. Allein die Tatsache, dass Sie, einer der führenden heidnischen Aktivisten, den ganzen Weg von London hierhergekommen sind –»
«Tim, der Einsatz ist zunächst mal von Nick Ellis ganz enorm erhöht worden. Er ist ein Getriebener, ein Fanatiker, der zwei Menschen das Leben zur Hölle gemacht hat, die nichts weiter wollten, als in Frieden ihre Religion auszuüben.»
«In einer christlichen Kirche.»
«In einer aufgegebenen christlichen Kirche, die auf einer historischen Weihestätte erbaut wurde. Nicholas Ellis hat gestern Abend den absurden Vorschlag gemacht,
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