Die fünfte Kirche
verlegen.
Eirion fuhr ruhig weiter. «Jane, als mein Vater im walisischen Entwicklungsausschuss war … na ja, inzwischen wäre er wieder draußen, selbst wenn die Anklage recht bekommen hätte.»
«Das sagst du nur, damit ich mich besser fühle.»
«Ich wünschte, es wäre so. Lies mal das über Bain und seinen Vater. Fang oben auf Seite fünf an.»
Jane las:
Ned war zehn Jahre alt, als seine Mutter, Edward Bainbridges erste Frau Susan, ihren Mann verließ. Die Scheidung erfolgte in aller Stille, und schon bald darauf begann Bainbridge eine Beziehung mit Mrs. Frances Wesson, der Witwe eines Kaplans an seinem College. Mrs. Wesson war eine geradezu fanatische Christin, was sich Bainbridge und seinem Sohn jedoch erst nach der Heirat in seinem ganzen Ausmaß erschloss.
Sehr seltsam, wie ausgefeilt das formuliert war. Wie in einer echten Biographie, ganz anders als das hingerotzte Geschwafel, das man sonst so im Internet fand. Obwohl es um die siebziger Jahre ging, wirkte das Ganze fast viktorianisch.
Ned verbrachte seine Jugendzeit also in der erstickenden Atmosphäre eines strenggläubigen Haushalts, der von einer schönen, aber autoritären Frances Wesson dominiert wurde, deren beide leibliche Kinder besondere Privilegien zu genießen schienen. Um seine neue Frau zufriedenzustellen, begann Bainbridge, der bisher im besten Fall ein halbherziger Christ gewesen war, jeden Sonntag zweimal zum Gottesdienst zu gehen. Ned war froh, bald auf ein Internat geschickt zu werden, wo er die Möglichkeit hatte, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die zu Hause mit Sicherheit verboten gewesen wären.
Während der Ferien wurde ihm klar, dass sein Vater langsam in eine Depression abglitt. Edward Bainbridge hatte das Dichten aufgegeben, nachdem sein letzter Band alsrührselig, selbstmitleidig und sogar als kläglich unbeholfen verspottet worden war. Wenig überraschend bröckelte seine akademische Reputation, und sein Alkoholkonsum war zum Problem geworden. Zur gleichen Zeit zeigte die Ehe der Bainbridges Auflösungserscheinungen. Edward ging nicht mehr in die Kirche, während seine Frau im gesamten Haus Ikonen und Kruzifixe aufhängte. Sie errichtete sogar eine private Kapelle in der Speisekammer neben der Küche.
Der Sommer 1975 brachte für Ned einen ernsten und lebensverändernden Schock mit sich. Edward Bainbridges Bruder David kam in das Internat, um Ned persönlich mitzuteilen, dass sein Vater tot war. Ned erfuhr, dass sein Vater auf dem Boden der privaten Kapelle verblutet und seine Stiefmutter bereits wegen Mordes angeklagt worden war.
Wenige Tage später wurde die Anklage zur Entrüstung des achtzehnjährigen Ned in Totschlag umgewandelt, zu dem sich Frances Bainbridge schuldig bekennen wollte. Sie nahm für sich in Anspruch, zu einem gewissen Grad in Notwehr gehandelt zu haben. Laut Mrs. Bainbridge hatte ihr Ehemann, der fast den ganzen Tag über getrunken hatte, laut an die Tür der Kapelle gehämmert, während sie betete, und die Tür eingetreten, nachdem sie ihn nicht hereinlassen wollte. Dann hatte er die Wandbehänge heruntergerissen und den Altar umgeworfen. Als sie schrie, er solle verschwinden, stach er mit einem Küchenmesser auf das viktorianische Christusgemälde an der Wand ein, bis er stolperte und das Messer fallen ließ – das Mrs. Bainbridge aufhob. Dann griff Edward Bainbridge seine Frau an, zerrte an ihrem Kleid, und bei ihrem Versuch, ihm zu entkommen, brachte sie ihm einen tödlichen Stich in den Hals bei.
Die Anklage wurde in Totschlag umgewandelt, nachdemFrances Bainbridges fünfzehnjähriger Sohn Simon und ihre zwölfjährige Tochter Madeleine diese Beschreibung der Ereignisse – die Ned Bain nicht gänzlich überzeugte – bestätigten, da sie den Kampf mit angesehen hätten. Frances Bainbridge bekannte sich schuldig, verließ das Gericht jedoch als freie Frau, da ihre Strafe wegen mildernder Umstände zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Ned Bainbridge kehrte auf das Internat zurück und studierte nach dem Schulabschluss in Oxford am alten College seines Vaters, wo er zusammen mit anderen Studenten seinen ersten Hexenkonvent gründete.
Eirion fuhr über Whitecross nach Hereford hinein. «Ziemlich beeindruckende Familiengeschichte, oder?», sagte er. «Man kann verstehen, dass der Typ nicht gerade ins Schwärmen kommt, wenn’s um die Kirche geht.»
44
Fühle das Licht
Greg hatte sich rasiert. Er trug ein sauberes Hemd. Er stand am Ende des Hofes im
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