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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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großen Bildschirm über ihm war das Bild einer heiteren, barbusigen Frau zu sehen. Sie trug eine Tiara auf dem Kopf, die aussah wie eine zusammengerollte Schlange.
    «Jetzt sind wir dran», sagte er mild. «Wir huldigen unseren Göttern in Wäldern und Kreisen aus Natursteinen. Wir haben keine Angst davor, den Vorhang zurückzuziehen und den Mysterien auf den Grund zu gehen, denen das Christentum noch immer ausweicht. Für uns – und für alle von euch, wenn ihr einmal ernsthaft darüber nachdenkt – ist das Christentum im besten Fall eine leere Leinwand. Es ist
anti
spirituell. Die Ureinwohner wurden, nachdem ihr Land brutal erobert worden war, mit dem Christentum zwangsernährt, obwohl sie ihre Naturreligionen hatten. Sie hatten in Harmonie mit den Gezeiten und den Jahreszeiten gelebt, vollkommen mildtätig, sanftmütig, friedfertig, weder streng noch patriarchalisch. Die Alte Religion hat die Gleichheit der Geschlechter immer anerkannt und den nährenden Geist verherrlicht, der die Erde beruhigen und heilen kann, bevor es zu spät ist.»
    Der tröpfelnde Applaus schwoll zu einem kräftigen Fluss an. John Fallon stand mit verschränkten Armen und seinem üblichen Halblächeln da. Das Licht im Studio war heruntergedimmt worden, sodass Ned Bain von Licht umgeben war wie eine Christusfigur. Als er weitersprach, hätte er wieder Sean sein können, der vernünftig und logisch argumentierte. Merrily schwitzte.
    «Die Zeit der Erde läuft ab. Wir haben uns ihr entfremdet. Wir müssen die letzten zweitausend Jahre hinter uns lassen und wieder mit ihr sprechen.»
    Der Applaus kam jetzt nicht nur aus den Rängen voller Heiden, er fächerte sich in ein Delta auf, das bis zu den Produktionsgehilfen und Arbeitern drang und bis zum mittleren und oberen Management der Farbenfabrik von Walsall. Das Klatschen und die Bravo-Rufe verschwammen in Merrilys Kopf zu einem quälenden Rauschen, und sie schloss die Augen. Und als sie sie wieder öffnete, hing über ihrem Kopf ein flauschiges Mikrophon, das an einer Stange befestigt war, und die Kamera war leise zu ihr herübergeglitten wie eine riesige Bohnermaschine, und John Fallon sagte zu ihr und den Millionen zu Hause: «…   das klingt doch ganz vernünftig, was Ned sagt, oder finden Sie nicht, Merrily?»
     
    Sie hat eine Blockade, dachte Jane entsetzt, nachdem zwei Sekunden verstrichen waren. Zwei ganze Sekunden   … bei
Livenight
! Schweigen im Bärengraben.
    «Na los, Schätzchen.» Gerry deutete auf die Kameras. «Du bist hier nicht auf deiner verdammten Kanzel.»
    Maurice, der Regisseur, sagte in sein Mikrophon: «John, warum fragst du sie nicht mal ganz freundlich, ob es ihr gutgeht?»
    Jane hätte ihn am liebsten von seinem Drehstuhl gestoßen und mit einem der vielen Kabel erwürgt, die überall auf dem Boden lagen. Aber dann, Gott sei Dank, begann Mom zu sprechen.
    Das Problem war nur, es war nicht ihre Stimme. Sie klang, als wäre sie aus dem Tiefschlaf gerissen worden. Das würde hart werden. Ned Bain hatte erstklassige Arbeit geleistet, er war cool, unheimlich cool, und unbestreitbar sexy. Und Jane musste zugeben, dass sie nachvollziehen konnte, was er gesagt hatte. Sie sagte sogar selbst ab und zu so etwas zu Mom. Das Heidentum   – Hexerei – war brauchbar und nach Janes Ansicht auch gar nicht vollkommen unvereinbar mit dem Christentum.
    Die Kamera war auf Mom gerichtet und hatte ihr Gesicht so nah herangezoomt, dass man die Schweißperlen sehen konnte.Und sie redete mit dieser brüchigen, seltsamen Stimme darüber, dass das Christentum reine, selbstlose Liebe sei, während es im Heidentum nur um mechanischen, gefühllosen Sex gehe.
    «Das ist doch total langweiliger Mist, vor allem nach dem Heidentyp», sagte Maurice zu John Fallon. «Nimm sie dir später nochmal vor, wenn sie sich wieder berappelt hat.»
     
    «Oookay.» John Fallon drehte sich mit spöttischem Grinsen weg. «Das ist also die Sicht der Anglikanischen Kirche.»
    Irgendwer johlte.
    Oh Gott!
Als sie sicher war, dass sie nicht mehr im Bild war, wischte sich Merrily mit einem zerdrückten Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Plötzlich war ihr klar, was sie hätte sagen sollen, wie sie mit Bains simplen Verallgemeinerungen hätte umgehen sollen. Sie wollte aufspringen und Fallon zurückholen, aber jetzt war es zu spät.
    Von dem Platz zu ihrer Linken aus drückte jemand freundlich Merrilys Arm: Patrick Ryan, der Soziologe, der angeblich jede zweite Priesterin in seinem County flachgelegt

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