Die Fuenfzig vom Abendblatt
doch befurchtet, sich mit seiner Einladung beträchtlich übernommen zu haben.
Aber allmählich hatte es sich dann gezeigt, daß die allgemeine Neugierde doch größer war als die anfängliche Schüchternheit. Man sah zu den Fenstern hinaus, bestaunte alle die Bücher in den Regalen und beschaute sich die Fotos an den Wänden und die Holzmasken, die neben ihnen hingen.
„Da waren Sie überall schon?“ Sam ging von Bild zu Bild, wie in einem Museum. „Auch in China?“
„Jawohl, mein Sohn, auch in China. Das hier ist der Hafen von Hongkong — “
„Stimmt es, daß die Chinesen faule Eier essen und Schwalbennester?“ wollte Sam jetzt wissen.
Und von diesem Augenblick an war alles reibungslos und selbstverständlich weitergegangen.
„So als Reporter für eine Zeitung durch die Welt zu gondeln, ist doch ein tolles Ding!“ Alibaba rieb sich aufgeregt die Nase.
Hauptschriftleiter Sprinter fühlte sich in seinem Sessel plötzlich so gut gelaunt und so vergnügt wie selten. Er hatte seine unvermeidliche Pfeife zwischen den Zähnen, und die Art, wie er immer wieder den dünnen Rauch in die Luft paffte, war ein deutlicher Ausdruck seines Wohlbefindens.
Während jetzt das Foto eines marokkanischen Kalifen von Hand zu Hand ging, meinte er lächelnd, daß er damals gerade zweiundzwanzig Jahre alt gewesen sei, als er nach Tetuan geschickt wurde, um für eine Berliner Zeitung ein Interview mit diesem kaffeebraunen Fürsten zu ergattern.
„Ein Interview, das ist eine Unterhaltung, in der man als Reporter Fragen an irgendeine Persönlichkeit stellt, deren Beantwortung für die Zeitungen von Interesse ist. Damals hatte gerade der Bürgerkrieg in Spanien begonnen, und ich sollte nun erforschen, ob der Kalif der spanischen Regierung seine Moros, seine schwarzen Reitertruppen, zur Verfügung stellen würde
„Ist ja fast wie Spionage!“ Erwin Kogge, der auf einem Stapel Bücher gesessen hatte, wechselte seinen Platz, da es ihm auf dem weichen Teppich doch bequemer zu sein schien.
Zweimal schon hatte das Telefon geklingelt. Nun meldete es sich zum dritten Male. Endlich griff der Hauptschriftleiter nach dem Apparat und nahm den Hörer ab.
„Sprinter“ — er nahm die Pfeife dabei gar nicht aus dem Mund, und da das Telefon nahe bei ihm auf dem Schreibtisch stand, hatte er auch nicht aufstehen müssen. Jetzt aber, als ihm eine Stimme sagte, wer ihn zu sprechen wünschte, nahm er doch den Stapel der Fotos von seinen Knien. Im Zimmer war es auf einmal still. Auch die Jungen hatten gemerkt, daß es der Allgewaltige persönlich war, der dort am anderen Ende der Strippe hing.
„Nein, wirklich nicht — geschlafen habe ich nicht, Mr. Voss. Das pflege ich nachts zu tun, und auch da nur verhältnismäßig sparsam.“
Nun hatte Sprinter auch seine Pfeife aus dem Mund genommen.
„Sehr freundlich. Ich würde liebend gern Ihrer Einladung Folge leisten. Auch ich hätte einiges auf dem Herzen — aber gerade heute — ich habe leider Besuch — wie bitte? — Nicht doch. Ich denke nicht ans Heiraten — nein — ich hatte schon vor einiger Zeit den Jungen versprochen, sie zu mir einzuladen. Dabei sind wir nun gerade — ja, alle fünfzig — nein, danke, es geht wirklich. Auch ohne Feuerwehr und Überfallkommando-“
Als Sprinter sich jetzt nach den Jungen umschaute, grinste man ihm zu. Nur Sam flötete etwas vorlaut: „Grüßen Sie den Chef von uns. Es geht uns ausgezeichnet!“ Dabei griff er erneut nach einem Stück Kuchen, und selbstverständlich erwischte er dabei wieder eine der Schokoladencremeschnitten.
„Sam läßt Sie bestens grüßen. Er findet meinen Kuchen ausgezeichnet!“
Nun blieb dem kleinen schwarzen Kerl doch der Bissen auf halbem Wege im Munde stecken. Die gesamte Horde aber brüllte los und brach in ein schadenfrohes Indianergeheul aus, so daß es selbst der Allgewaltige am andern Ende der Strippe noch mitbekommen mußte. Und als man sich nach einiger Zeit wieder beruhigte, war nur noch zu hören, wie sich Sprinter verabschiedete. Etwas flüchtig allerdings, wie es den Anschein hatte.
„Darf ich Ihnen Feuer anbieten
Alibaba hatte ein Streichholz angesteckt, denn er hatte bemerkt, daß dem Hauptschriftleiter während des Gesprächs seine Pfeife ausgegangen war. Sprinter bediente sich, und die Horde stellte insgeheim wieder mal fest, von welch galanten Manieren ihr Boß sein konnte, wenn er es darauf anlegte.
Der Hauptschriftleiter nahm wieder die Fotos vom Tisch und fuhr in seinem Bericht
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