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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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aber ist nur möglich, wenn wir von niemand abhängig sind. Weder von einer Partei noch von einer Regierung oder irgendeiner Industrie. Gott sei Dank sind wir stark genug, um uns diese notwendige Unabhängigkeit zu erhalten!“
    Mr. Voss wechselte einen kurzen Blick mit seinem Chefredakteur.
    „Das Abendblatt kann die Dinge so bringen, wie sie sind. Wir unterschlagen keine Nachrichten, wir dichten auch nichts dazu. Es ist der Leser, der sich selbst seine Meinung bilden soll. Mit dem Wissen um die Wahrheit, das wir ihm liefern Mr. Voss war an eines der Fenster getreten. Jetzt wandte er sich wieder in seiner ganzen Breitseite den Jungen zu.
    „So — das war es, was ich euch schon lange mal sagen wollte. Wenn ihr im Augenblick das Abendblatt auch nur auf euren Fahrrädern zu den Kiosken und Händlern bringt, so sollt ihr trotzdem auch wissen, daß ihr nicht nur irgendein gleichgültiges Stück Papier durch die Stadt kutschiert. Ihr sollt wissen, daß viel Unglück, viel Haß und wohl jeder Krieg auch deshalb nur möglich waren, weil eine verlogene Presse die Gehirne der Menschen Tag für Tag betäubt und durch ihre Lügen getäuscht hat. Eine ehrliche Zeitung, das ist eine verdammt gute und nötige Sache. Und deshalb ist jedes einzelne Exemplar unseres Abendblattes, das ihr noch rechtzeitig an den Kiosk oder zum Händler bringt, von Wichtigkeit. Das mal zum Anfang!“
    Mr. Voss nahm jetzt eine Eierlikörflasche und forderte die Jungen auf, sich ebenfalls zu bedienen.
    „Zum Wohl, meine Herren Man trank sich beinahe feierlich zu.
    Sam mußte als einziger husten.
    „Na, schmeckt es nicht?“
    „Doch, doch beeilte sich der Negerjunge zu versichern und versuchte jetzt zu strahlen, so als sei Eierlikör die herrlichste Sache der Welt.
    „Natürlich kommt noch eine ganze Menge dazu. Ich meine, um eine gute Zeitung zu machen —“ fuhr Mr. Voss jetzt fort. „Wenn man das nämlich erreichen will, was ich vorher sagte, dann will man es natürlich bei möglichst vielen Menschen erreichen. Das heißt, daß wir möglichst viele Leser und immer noch mehr Leser gewinnen wollen. Leser vor allem, die so nach und nach wie eine Familie zu uns gehören, die anhänglich sind und sich an jedem Abend auf unsere Zeitung freuen. Wir müssen in unseren Redaktionen also immer neue Ideen entwickeln. Unser Abendblatt muß immer wieder interessant und lebendig sein. Wir müssen Fotos und Artikel bringen, die eine andere Zeitung eben nicht bietet, und wir müssen versuchen, mit allem immer eine Ausgabe schneller zu sein als die Konkurrenz. Davon kann euch Sprinter ein Lied singen „Eine ganze Oper grinste der Chefredakteur.
    Mr. Voss zog an seiner Zigarre, nickte zu Sprinter hinüber und dann sagte er nach einer kleinen Pause ganz unvermittelt:
    „So — und jetzt noch zum Zirkus Bertoldi.“
    Alibaba wollte gerade einen Schluck aus seiner Kaffeetasse nehmen. Aber das ließ er jetzt bleiben.
    „Ihr habt durch Herrn Sprinter von Anfang an gewußt, was ich von dieser Galavorstellung gehalten habe. Billiger Reklamerummel, weiter nichts Mr. Voss sah einer Wolke seines Zigarrenrauchs nach, die langsam zum offenen Fenster hinüberwanderte.
    „Nun, ihr habt diesen Reklamerummel verhindert und damit ziemlich viel Staub aufgewirbelt. Ich müßte meine Nachtexpreß-Freunde schlecht kennen, wenn die nicht alles versuchen würden, um rauszukriegen, wer ihnen diesen Streich gespielt hat. Aber da die Sache nun schon passiert ist, wird es jetzt meine und Sprinters Sache sein, notfalls unseren Rücken hinzuhalten. Schön ist das Ganze jedenfalls nicht. Seid jetzt nicht enttäuscht, wenn ich euch das so offen sage. Oder habt ihr erwartet, daß ich Orden verteile?“
    Die Jungen sahen von Mr. Voss zu Sprinter und von Sprinter zu Alibaba. Aber der putzte sich gerade die Nase. Und zwar ziemlich lange. Bis Mr. Voss fortfuhr.
    „Ach so — man hat euch offenbar noch nicht gesagt, daß ich gar nicht so entzückt war — “
    „Das zu erklären wäre für mich etwas kompliziert gewesen — “, gab Alibaba zu bedenken.
    Mr. Voss mußte jetzt doch herzlich lachen, und Sprinter lachte mit.
    „Vielleicht hast du recht, und es ist wirklich etwas kompliziert--“
    Der Allgewaltige stand auf und zerdrückte den Rest seiner Zigarre im Aschenbecher, der auf dem Tisch stand.
    „Ich gebe zu, daß ich mich im ersten Augenblick natürlich auch gefreut habe. Einerseits, weil das Ganze wieder einmal klar gezeigt hat, was euch das Abendblatt bedeutet, und dann auch, weil

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