Die Fuenfzig vom Abendblatt
fort.
„Istanbul. Auf der Fahrt von Europa nach Asien sozusagen. Von Istanbul, das noch auf unserem alten guten Erdteil liegt, ist es nur eine zweistündige Fahrt auf dem Dampfer bis zur
Küste Asiens. Ich fuhr damals nach Ankara--“
Und nun folgten Fotos aus Athen, Madrid, Lissabon, Bilder von Sizilien, Libyen, Frankreich und — Da klingelte es wieder. Aber diesmal war es nicht das Telefon. Diesmal kam es von der Korridortür.
„Alibaba, sieh doch mal nach, wer da ist. Wird wohl das Milchmädchen sein oder der Gasmann.“ Sprinter schien ganz in seine Fotos vertieft.
„Heute am Sonntag?“ Alibaba ging grinsend zur Wohnungstür.
„Hier das wird euch interessieren, das ist ein Bild aus einem Pfadfinderlager aus Mexiko. Die Jungen hatten lauter echte Indianerzelte. Oben geöffnet, damit man in ihnen Feuer brennen kann —“
„Good evening, boys! Hoffentlich störe ich nicht zu sehr?“ Wie von fünfzig Taranteln zur selben Sekunde gestochen, sprangen beim Klang dieser Stimme die Jungen von ihren Sitzen hoch. Sie standen stumm und sahen mit aufgerissenen Augen zur Tür. Dort stand nämlich Mr. Voss. Nur Sprinter war nicht überrascht. Er zog noch einmal grinsend an seiner Pfeife und ging auf den Allgewaltigen zu.
„Ich begrüße Sie in meiner bescheidenen Hütte, Mr. Voss. Leider etwas überfüllt heute. Deswegen aber nicht weniger gemütlich.“ Dabei half er bereits seinem Chef aus dem Mantel.
Dieser Sprinter! Natürlich hatte ihm Mr. Voss am Telefon gesagt, daß er kommen würde. Aber er hatte kein Sterbenswort verlauten lassen. Die ganze Zeit mochte er sich wohl die Situation vorgestellt haben, wenn der Chef des Abendblattes plötzlich unangemeldet unter die Jungen trat.
„Wird wohl das Milchmädchen sein oder der Gasmann-“
Das würde man sich merken müssen und bei Gelegenheit wieder mit Zinsen zurückzahlen.
Während Alibaba im stillen diesen Entschluß faßte, ging jetzt Mr. Voss von einem Jungen zum andern und begrüßte jeden. An manchen der Namen erinnerte er sich. Wo dies nicht der Fall war, bat er, seinem Gedächtnis nachzuhelfen. So sagte jeder der Jungen seinen Namen.
Als er zu Sam trat, bedankte er sich in aller Form für die telefonischen Grüße, die ihm Sprinter übermittelt hatte.
Da grinste die ganze Meute, und der kleine Negerjunge rollte sehr verlegen seine großen weißen Augen.
„Harald Madelung.“
Der Allgewaltige gab dem Jungen die Hand wie jedem anderen. Nur in seinen Augenwinkeln blitzte es kurz dabei.
Erwin Kogge war der letzte gewesen. Nun wandte sich Mr. Voss wieder seinem Hauptschriftleiter zu.
„Ich bin doch ziemlich unerwartet hier hereingeplatzt. I am sorry — bitte lassen Sie sich nicht stören!“ Dabei nahm er in einem der Sessel Platz.
Aber Herr Sprinter hatte seine Fotos bereits zur Seite gelegt, hatte die Beine übereinandergeschlagen und zog in aller Seelenruhe an seiner Pfeife. Es schien ihm selbstverständlich, daß das Wort nun an seinen Chef übergegangen sei.
„Sie wollten doch ohnehin mit den Jungen wieder einmal zusammen sein, Mr. Voss. Ich bin glücklich, daß sich das nun alles so gemütlich ergeben hat.“
Sprinter paffte erneut eine dünne Rauchwolke in die Luft und schien fest entschlossen, endgültig den Mund zu halten.
„Na schön — hm.“ Der Chef des Abendblattes hatte sich nun seinerseits eine Zigarre angezündet.
„Über was habt ihr euch denn bisher unterhalten, wie?“
Eisernes Schweigen. Keiner der Jungen wagte etwas zu sagen. Jetzt ein falsches Wort reden, das würde verdammt peinlich sein. Lieber schwieg man also. Bis dann einer doch recht ungehemmt drauflos quatschte:
„Herr Sprinter hat uns von seinen Reisen erzählt. Er war als Reporter für alle möglichen Zeitungen so ziemlich in allen Ecken der Welt. Er hat uns auch Fotos gezeigt, die er bei diesen Reisen aufgenommen hat.“ Harald sagte es ganz unbefangen.
Alibaba biß sich auf die Unterlippe. Natürlich wieder der Neue! Verdammt, weshalb hatte er nicht geantwortet! Als Boß wäre das doch wohl seine Sache gewesen. Und um sein Versäumnis wieder wettzumachen, fügte er jetzt Haralds Worten hinzu, daß das Leben so eines Reporters doch wohl die herrlichste Sache von der Welt sein müsse. „Man reist, wohin man will, und die Zeitung bezahlt einem jedes Schiffsbillett und jedes Mittagessen. Reporter haben das große Los gezogen.“
Der Boß der Abendblatt-Jungen war dabei rot geworden bis unter seine ohnehin schon roten Haarwurzeln. Aber es war heraus.
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