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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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allein miteinander auszumachen. Nicht wahr, Freundchen?“
    Bulle hatte sich jetzt so nahe an Harald herangeschoben, daß dieser nun schon dessen Schultern und Knie spürte. Und in diesem Augenblick, als die Augen der beiden nur noch eine Handbreite auseinander sein mochten, als Harald bereits den Atem des andern heiß und abstoßend in seinem Gesicht fühlte, da plötzlich wurde der Kopf von Bulle knallrot wie eine Tomate. Gleichzeitig packte er mit seinen beiden Händen nach Haralds rotem Pullover.
    „Mensch — du — jetzt geht mir plötzlich ‘ne ganze Kerzenfabrik auf. Daß ich deine Visage von irgendwoher kenne, war mir schon immer klar. Endlich ist der Groschen gefallen! Jetzt — in diesem Augenblick! — Zirkus Bertoldi — wie? Herr Max Nebel! — Ich habe mir den Namen gemerkt! — Stimmt’s oder stimmt’s nicht — ?“
    Bulle war mit seinem rot angelaufenen Gesicht noch dichter an Harald herangekommen.
    Alibaba wollte noch dazwischenspringen. Auch Sam und selbst Mr. Voss machten irgendeine Bewegung. Der Ordner der Wettkampfleitung pfiff sogar auf einer Trillerpfeife. Wie wenn er das Überfallkommando alarmieren könnte.
    Aber das alles kam zu spät.
    Bulles Faust war schneller gewesen. Blitzschnell kam sie allen Abwehrversuchen zuvor und traf Harald haargenau über dem linken Auge. Mit einer solchen Wucht, daß der Junge samt seinem Fahrrad zwischen die Jungen der Horde fiel.
    Mr. Voss faßte sich unwillkürlich ans Kinn, als ob er selbst getroffen wäre
    Jetzt, nachdem es zu spät war, lief und drängte alles durcheinander wie in einem aufgeschreckten Ameisenhaufen. Bulle wurde von mehr als zwanzig Fäusten gepackt und außer Reichweite gebracht. Gleichzeitig bemühte man sich um Harald, rüttelte ihn wach, und Mr. Voss hielt ihm sogar eine kleine Flasche 4711 unter die Nase. Da meldete sich wieder der Lautsprecher. Noch lauter und noch nachdrücklicher als zuvor. Die Nummern zwohundert und dreiundsiebzig würden endlich vor der Tribüne erwartet.
    „Bitte sich zu beeilen! Bitte sich zu beeilen — !“
    Und jetzt nahm Mr. Voss die Dinge in die Hand. Die Ordner waren trotz ihrer weißen Armbinden nämlich machtlos. Vor der befehlsgewohnten Stimme des Allgewaltigen aber wich die Menschenmauer, die sich inzwischen gebildet hatte, zur Seite. Bulle wurde kurzerhand durch die sich nun öffnende schmale Gasse geschoben. Harald kam hinterdrein. Sicherheitshalber blieb aber Alibaba jetzt bis zur Ehrentribüne an seiner Seite. Man konnte nie wissen —
    Und dann standen die erfolgreichsten Fahrer des Rennens vor dem Oberbürgermeister der Stadt. An erster Stelle Harald. Neben ihm Bulle. Die beiden hätten sich mit ihren Ellbogen berühren können. Eine Musikkapelle strapazierte ihre Instrumente so laut es ging. Wieder wurden Fotoapparate und Filmkameras in Stellung gebracht.
    Händeklatschen und Hochrufe setzten ein, als jetzt das Stadtoberhaupt dem diesjährigen Sieger das „Grüne Band“ über die Schultern legte.
    Dabei wunderte sich der alte Herr in seinem schwarzen Gehrock ein wenig darüber, wie teilnahmslos eigentlich dieser Junge in seinem roten Abendblatt-Pullover die Ehrung hinnahm. Auch die Bildreporter und Kameraleute der Wochenschau waren etwas enttäuscht. Ihre Zeitungsleser und ihre Kinobesucher erwarteten eigentlich von einem Sieger, daß er „glückstrahlend“ und „leuchtenden Auges“ vor ihnen stehe. Harald aber „strahlte“ keineswegs. Weder vor Glück noch aus irgendeinem anderen Grunde. Und was die „leuchtenden“ Augen betraf — sein linkes war angeschwollen und leuchtete während der feierlichen Zeremonie so ziemlich in allen Regenbogenfarben. Die Anstrengungen des Rennens mußten den Jungen doch sehr mitgenommen haben.
    So wandte sich der Oberbürgermeister jetzt mit verständnisvollem Lächeln den übrigen Siegern zu. Und die Objektive der Fotoapparate und Filmkameras folgten ihm, richteten sich ebenfalls auf die neuen Motive und schwenkten von Harald weg die übrige Reihe der Gewinner entlang.
    Fünf oder zehn Sekunden zu früh. Denn nun hätten sie den Sieger des Rennens doch noch so erwischen können, wie es ihre Leser und ihr Kinopublikum eigentlich erwarteten. Zumindest so ähnlich.
    Harald hatte bis zu diesem Augenblick nur geradeaus und sozusagen ins Leere geschaut. Die Gesichter der dicht gedrängt stehenden Menschen waren für ihn nur eine Unzahl weißer Flecke gewesen. Weiter nichts.
    Jetzt, da sich die allgemeine Aufmerksamkeit von ihm abwandte und man ihn

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