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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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war, hatte er noch Zurückhaltung bewahrt. Bis die Musik immer stärker angewachsen war. Da war dann in die Gestalt des Dirigenten Bewegung geraten.
    Vater Verhoven war ohne besondere Erwartungen in diesen Saal des Unionhauses gekommen. Nach der ersten Kostprobe auf dem Platzkonzert am vergangenen Sonntag war seiner Meinung nach auch heute nicht viel mehr zu erwarten. Daß er trotzdem noch enttäuscht wurde, das hatte er allerdings nicht für möglich gehalten.
    Aber Alibaba und die Jungen sparten nicht mit Beifall. Das hier schien eine großartige Sache zu sein. Zudem hatte sie der Komponist und Dirigent, der sich da unten nun schon zum zweiten Male verbeugen mußte, höchstpersönlich eingeladen. Und ihre Plätze ließen nichts zu wünschen übrig.
    Es entging ihnen offensichtlich, wie sich ganze Stuhlreihen im ersten Teil des Saales merkwürdig reserviert verhielten.
    Klaus allein schien es bemerkt zu haben, und er sprach davon zu seinem Vater. Da nickte der Blinde unmerklich und bat jetzt seinen Jungen, ihn etwas aus dem Saal zu führen. Trotz der Höhe des Raumes war die Luft an diesem Sommerabend drückend und schwül. Man nützte allgemein die eingetretene Pause zu einem kurzen Atemholen in der Wandelhalle.
    Draußen umringten die Jungen den Blinden, der ihnen jetzt die Zusammensetzung eines Orchesters erklären mußte. Daß hierbei Geiger, Trompeter, Flötisten und so weiter stets nach einer bestimmten Ordnung gruppiert waren, darauf hatten sie bis heute eigentlich noch nie geachtet. Irgendwie hatten sie gedacht, daß jeder Musiker sich hinsetzen könne, wo es ihm gefiele. Würde der Trompeter sich gut mit dem Mann am Cello verstehen, so setzten sie sich eben nebeneinander, so wie sich in der Schule ja auch immer gute Freunde nebeneinander in eine Bank setzen.
    „Sieh mal an, der Verhoven! Kommt endlich auch wieder aus seinem Dachsbau hervor —“
    Ein älterer Herr mit schneeweißem Haar war plötzlich aus einer Gruppe von Besuchern, die hier zusammenstanden oder nebeneinander durch die Foyers gingen, auf den Blinden zugetreten und faßte nach seinen beiden Händen.
    Vater Verhoven schien die Stimme des Herantretenden sofort erkannt zu haben. „Professor Beckmann? Sind Sie es wirklich, Herr Professor?“
    Die Jungen traten unwillkürlich einen Schritt zurück. Nur Klaus begrüßte den alten Herrn wie einen Bekannten. Erklärend flüsterte er dann seinen Freunden zu, daß Professor Beckmann der Direktor der Musikhochschule sei. Ein verdammt hohes Tier also.
    Inzwischen war dieses „Hohe Tier“ nach dem üblichen „Wie geht es?“ und „Was macht die Kunst?“ geradewegs auf das heutige Konzert zu sprechen gekommen. „Na — wie gefällt Ihnen die Bertelmannsche Musik?“
    Vater Verhoven wollte nicht direkt antworten, so sagte er nur: „Es scheint ein sehr gut besuchtes Konzert zu sein — “
    Da lachte der alte Professor so schallend auf, daß die Umstehenden aufmerksam wurden. „Ausgezeichnet! Ausgezeichnet! Sehr richtig, der Rahmen ist außerordentlich prunkvoll. Aber leider zu prunkvoll für das bescheidene Bildchen, das er zu umgeben hat —“
    Und nun wurde der Weißhaarige plötzlich vollkommen ernsthaft und sachlich. „Unter uns, Verhoven, Sie verstehen etwas von Musik, das weiß ich. Und ich verstehe auch etwas davon, das glaube ich sagen zu können. Aber der Aufwand, den man da heute abend um diesen kümmerlichen Tonsalat macht, ist doch ein Ärgernis. Beinahe eine Schande für die ganze Stadt. Zumindest für ihren musikalisch interessierten Teil—“
    War man zuvor schon auf den Professor aufmerksam geworden, so traten jetzt die Zunächststehenden offen auf ihn zu und umringten ihn. Vor allem einige Herren der Presse.
    Aber der erzürnte alte Herr ließ sich dadurch nicht im geringsten beirren. Selbst als jetzt der Blinde versuchte, ihn zu beruhigen: „Gestatten Sie, Herr Professor, aber vielleicht müssen wir uns noch gedulden. Wir hören ja noch eine zweite Symphonie —“
    „---diese zweite Symphonie wird genauso schlecht sein wie die erste. Frechheit, so etwas überhaupt eine Symphonie zu nennen. Und diese widerliche Reklame überall! So wahr ich Leiter der hiesigen Musikhochschule bin, ich werde mir das nicht bieten lassen! Man soll mir nicht den Vorwurf machen können, daß wir geschwiegen haben! Schlimm genug, wenn ein affektiertes Publikum dem Kerl zujubelt wie einem Filmstar! Wäre nur seine Musik halb so gut geschrieben, wie seine Krawatte gebunden ist! Meine sitzt heute

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