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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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schüttelte den Kopf und bedeutete ihm, sich wieder zu setzen. »Wache?«, rief er ungeduldig.
    »Verzeiht, Euer Gnaden.« Der Wächter kehrte schweratmend zurück. »Befehl von Dagon. Ich sollte Eure Gemächer schnellstmöglich sichern.«
    »Offenbar ist etwas schief gegangen«, bemerkte der Maer trocken.
    Der Wächter nickte. »Als wir am Turmzimmer klopften, öffnete niemand. Dagon befahl, die Tür aufzubrechen. Im Zimmer war … ich weiß nicht was, Euer Gnaden, ein böser Geist. Einer von uns wurde getötet. Caudicus haben wir nicht angetroffen, aber Dagon hat die Verfolgung aufgenommen.«
    Alverons Miene verfinsterte sich. »Verdammt!«, rief er und schlug mit der Faust auf die Armlehne seines Sessels. Er runzelte die Stirn |623| und brummte unwirsch etwas. »Also gut.« Er winkte den Wächter weg.
    Der Mann blieb verlegen stehen. »Herr, Dagon befahl mir, Euch nicht allein zu lassen.«
    Alveron musterte ihn finster. »Also gut, aber stell dich dort hin.« Er zeigte in eine Ecke.
    Der Mann zog sich erleichtert zurück. Alveron beugte sich vor und drückte die Fingerspitzen an die Stirn. »Wie in Gottes Namen konnte er Verdacht schöpfen?«
    Die Frage schien an niemanden gerichtet, trotzdem überlegte ich fieberhaft. »Habt Ihr gestern Eure Arznei holen lassen, Euer Gnaden?«
    »Ja, ja, alles war genau wie in den Tagen davor.«
    Nur dass Ihr nicht mich danach geschickt habt,
dachte ich. »Habt Ihr das Fläschchen noch?«, fragte ich laut.
    Das Fläschchen war noch da. Stapes brachte es mir. Ich entkorkte es und fuhr mit dem Finger an der Innenseite entlang. »Wie schmeckt Eure Arznei?«
    »Das habe ich dir doch schon gesagt. Bitter, ein wenig salzig.« Ich hob den Finger an meinen Mund und berührte damit ganz leicht meine Zungenspitze. Der Maer riss die Augen auf. »Bist du wahnsinnig?«, fragte er.
    »Süß«, sagte ich nur. Ich spülte meinen Mund mit Wasser und spuckte es so leise wie möglich in ein leeres Glas. Dann holte ich ein kleines, zusammengefaltetes Papiertütchen aus einer Tasche meiner Weste, schüttete mir ein wenig von dem Inhalt in die Hand und aß es, wobei ich das Gesicht verzog.
    »Was ist das?«, fragte Stapes.
    »Lignosellen«, erfand ich rasch, weil ich wusste, dass die richtige Antwort, Holzkohle, nur weitere Fragen nach sich gezogen hätte. Ich nahm einen Mund voll Wasser und spuckte ihn ebenfalls aus. Diesmal war das Wasser schwarz. Alveron und Stapes schauten erschrocken zu.
    Ich ließ sie nicht zu Wort kommen. »Caudicus muss Verdacht geschöpft haben, dass Ihr Eure Arznei nicht einnehmt, Euer Gnaden. Denn sie schmeckte diesmal anders. Wenn Ihr sie genommen hättet, hättet Ihr ihn danach gefragt.«
    |624| Der Maer nickte. »Ich habe ihn gestern Abend gesehen. Er erkundigte sich nach meinem Befinden.« Er schlug leise mit der Faust auf die Armlehne. »Oh nein. Wenn er klug ist, ist er schon seit einem halben Tag weg. Dann erwischen wir ihn nicht mehr.«
    Ich überlegte, ob ich den Maer daran erinnern sollte, dass das alles nicht passiert wäre, wenn er mir von Anfang an geglaubt hätte, unterließ es aber lieber. »Ich würde Euren Leuten raten, den Turm nicht zu betreten, Euer Gnaden. Bestimmt hat er dort alle möglichen Fallen und anderen Unfug eingerichtet.«
    Der Maer nickte und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ja, natürlich. Kümmert Euch darum, Stapes. Ich denke, ich werde mich jetzt ein wenig ausruhen. Caudicus wird uns wohl noch eine Weile beschäftigen.«
    Ich schickte mich an zu gehen, doch der Maer bedeutete mir, mich wieder zu setzen. »Bleib noch kurz und koche mir eine Kanne Tee, Kvothe.«
    Stapes klingelte nach den Dienern. Sie räumten die Reste unserer Mahlzeit weg und warfen mir dabei neugierige Blicke zu. Ich saß nicht nur in Gegenwart des Maer, sondern hatte überdies in seinen privaten Gemächern mit ihm gespeist. Spätestens in zehn Minuten würde die ganze Burg davon wissen.
    Nachdem die Diener gegangen waren, bereitete ich dem Maer Tee. Anschließend wollte ich gehen, doch da sprach er mich über den Rand seiner Tasse an. Er redete so leise, dass der Wächter, der immer noch in der Ecke stand, ihn nicht hören konnte.
    »Kvothe, du hast dich als vollkommen vertrauenswürdig erwiesen, und es tut mir leid, dass ich vorübergehend an dir gezweifelt habe.« Er nahm einen kleinen Schluck. »Leider kann ich nicht zulassen, dass andere von dem Anschlag erfahren, zumal wenn der Giftmischer entkommen ist.« Er sah mich vielsagend an. »Es würde meine

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