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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Schwerts beim Zuschlagen oder der Gestank der gebrandmarkten Haut. Ich hatte zwei Frauen getötet. Was würde Vashet dazu sagen? Was konnte man überhaupt dazu sagen?
    Weil ich so erschöpft von Sorgen und Schlafmangel war, drehten meine Gedanken sich nur noch im Kreis. Mit von der Gewohnheit diktierten Bewegungen schlug ich abends das Lager auf, und ich musste meinen ganzen Willen aufbieten, um das Gespräch mit Ellie aufrechtzuerhalten. Noch bevor ich dazu bereit war, war es wieder Schlafenszeit, und ich lag in meinen Schattenmantel eingewickelt vor dem Zelt der Mädchen. Nur am Rande meines Bewusstseins nahm ich wahr, dass Krin mich jetzt mit denselben besorgten Blicken musterte wie seit zwei Tagen schon Ellie.
    Vor dem Einschlafen an diesem Abend lag ich noch eine Stunde mit weit aufgerissenen Augen da und dachte an Alleg.
    Als ich dann endlich eingeschlafen war, träumte ich wieder davon, wie ich die falschen Schauspieler tötete. Im Traum schlich ich durch den Wald wie der grimme Tod persönlich.
    Doch diesmal war etwas anders. Ich tötete Otto, und sein Blut spritzte über meine Hände wie heißes Fett. Dann tötete ich Laren und Josh und Tim. Sie jammerten und schrien und wanden sich auf dem Boden. Ihr Wunden sahen schrecklich aus, aber ich konnte den Blick nicht abwenden.
    Dann veränderten sich ihre Gesichter. Ich tötete plötzlich Teren, den bärtigen Ex-Söldner meiner eigenen Truppe, und dann Trip. Anschließend rannte ich mit gezogenem Schwert hinter Shandi her durch den Wald. Shandi schrie und weinte vor Angst. Als ich sie endlich einholte, klammerte sie sich an mich, warf mich um und vergrub schluchzend das Gesicht an meiner Brust. »Nein, nein, nein«, flehte sie. »Nein, nein, nein.«
    An dieser Stelle wachte ich auf. Ich lag schreckensstarr auf dem Rücken und wusste nicht, wo der Traum endete und die Wirklichkeit begann. Nach einem kurzen Moment begriff ich, was geschehen war. Ellie war aus dem Zelt zu mir gekrochen, hatte das Gesicht an meiner Brust vergraben und umklammerte verzweifelt meinen Arm.
    »Nein, nein«, rief sie erstickt, »nein, nein, nein, nein, nein.« Dann brachte sie nichts mehr heraus, und hilfloses Schluchzen schüttelte ihren Körper. Mein Hemd war von ihren heißen Tränen nass und mein Arm blutete dort, wo sie ihn umklammert hielt.
    Ich machte einige tröstende Laute und strich ihr mit der Hand übers Haar. Endlich beruhigte sie sich und fiel in einen erschöpften Schlaf, ohne mich freilich loszulassen.
    Ich wagte nicht, mich zu bewegen, um sie nicht zu wecken. Mit zusammengebissenen Zähnen lag ich da und dachte an Alleg, Otto und die anderen. Ich dachte an das Blut und an die Schreie und den Gestank der verbrannten Haut. An all das dachte ich und ich träumte von noch schlimmeren Dingen, die ich ihnen hätte antun können.
    Danach hatte ich die Albträume nie wieder. Manchmal kommt mir auch heute noch Alleg in den Sinn, und dann lächle ich.
     
    Am nächsten Tag erreichten wir Levinshir. Ellie war wieder bei klarem Bewusstsein, blieb aber schweigsam und in sich gekehrt. Doch kamen wir jetzt schneller voran, vor allem weil die Mädchen sich wieder so weit bei Kräften fühlten, dass sie abwechselnd den Grauschimmel ritten.
    Wir legten sechs Meilen zurück, bevor wir eine Mittagspause machten. Die Mädchen wurden immer aufgeregter, denn die Landschaft kam ihnen zunehmend bekannt vor und sie erkannten die Silhouette der Berge in der Ferne und einen schiefen Baum am Straßenrand.
    Doch als wir uns Levinshir näherten, wurden sie auf einmal wieder still.
    »Gleich hinter der nächsten Anhöhe ist es«, sagte Krin und stieg vom Apfelschimmel. »Reite du das letzte Stück, Ell.«
    Ellie sah sie an und dann mich. Dann blickte sie auf ihre Füße und schüttelte den Kopf.
    Ich musterte die beiden. »Alles in Ordnung?«
    »Mein Vater bringt mich um.« Krin sagte es mit einem kaum hörbaren Flüstern. Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    »Dein Vater ist heute Abend der glücklichste Mensch der Welt«, erwiderte ich. Doch ich wollte ganz ehrlich sein. »Vielleicht ist er auch wütend, aber nur, weil er die letzten acht Tage besinnungslos vor Angst war.«
    Krin schien ein wenig beruhigt, doch dann begann Ellie zu schluchzen. Krin nahm sie in die Arme und machte beruhigende Laute.
    »Niemand wird mich heiraten«, schluchzte Ell. »Ich wollte Jason Waterson heiraten und ihm in seinem Laden helfen. Aber jetzt heiratet er mich bestimmt nicht mehr. Niemand heiratet mich.«
    Ich

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