Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
brechen oder von Fremden entführt und vier Mal pro Nacht vergewaltigt zu werden.«
Ich drehte sein Gesicht zu mir und sagte so leise, dass man schon aus nächster Nähe nur noch ein undeutliches Flüstern hören konnte: »Und wenn du dir das überlegt hast, wirst du Gott um Verzeihung für das bitten, was du eben gesagt hast. Wenn du es ernst meinst, möge Tehlu dafür sorgen, dass dein Arm rasch und gut wieder zusammenwächst.« Jason starrte mich mit aufgerissenen, nassen Augen an. »Wenn du aber später je wieder schlecht von diesen beiden Mädchen denkst, soll dein Arm schmerzen, als stecke ein heißes Eisen im Knochen. Und wenn du ein einziges unfreundliches Wort zu ihnen sagst, wird er sich entzünden und langsam verfaulen und man wird ihn abhacken müssen, um dein Leben zu retten.« Ich packte ihn fester, und er riss die Augen noch weiter auf. »Und wenn du ihnen je etwas antust, werde ich es erfahren. Ich werde kommen und dich töten und deine Leiche an einen Baum hängen.«
Tränen liefen ihm jetzt über das Gesicht, obwohl ich nicht hätte sagen können, ob vor Scham, Angst oder Schmerzen. »Und jetzt wirst du Ellie sagen, dass deine Worte dir leid tun.« Ich ließ ihn los, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass er stehen konnte, und drehte ihn zu Krin und Ellie um. Die Frauen umgaben die beiden Mädchen wie ein schützender Kokon.
Der Bursche hielt sich benommen den Arm. »Ich hätte das nicht sagen sollen, Ellie«, schluchzte er. Er klang so unglücklich und reumütig, wie ich es trotz des gebrochenen Arms nicht erwartet hatte. »Da hat ein Teufel aus mir gesprochen. Aber ich habe mir solche Sorgen gemacht, ich schwöre es. Wir alle haben uns Sorgen gemacht. Und wir haben versucht, euch zu befreien, aber da waren so viele, und sie haben sich aus dem Hinterhalt auf uns gestürzt. Und dann mussten wir Bil heimbringen, weil er sonst an seinem Bein gestorben wäre.«
Der Name des Jungen weckte plötzlich eine Erinnerung in mir. Jason? Mir dämmerte, dass ich soeben Ellies Freund den Arm gebrochen hatte. Aber es tat mir in diesem Moment nicht leid. Im Grunde war es nur zu seinem Besten.
Ich blickte mich wieder um. Der Zorn war aus den Gesichtern der Männer gewichen, als hätte ich auf einen Schlag den ganzen Vorrat des Dorfes aufgebraucht. Stattdessen hörten sie ein wenig verlegen Jason zu, als entschuldigte er sich für sie alle.
Auf der Straße näherte sich im Laufschritt ein großer, stattlicher Mann, gefolgt von einem Dutzend weiterer Dorfbewohner. Dem Blick seines Gesichts nach zu schließen handelte es sich um Ellies Vater, den Bürgermeister. Er zwängte sich zwischen den Frauen hindurch, schloss seine Tochter in die Arme und schwenkte sie hin und her.
Es gibt in solchen Dörfern zwei Sorten von Bürgermeistern. Die einen sind schon älter, haben schütteres Haar und einen Bauch, können gut mit Geld umgehen und ringen ausgiebig die Hände, sobald etwas Unerwartetes passiert. Die anderen sind groß und breitschultrig und stammen aus Familien, die sich zwanzig Generationen lang in harter Feldarbeit zu einem gewissen Wohlstand hochgearbeitet haben. Ellies Vater gehörte zur zweiten Sorte.
Er legte seiner Tochter den Arm um die Schulter und kam zu mir. »Wenn ich es recht verstehe, muss ich mich bei dir bedanken, dass du uns unsere Töchter zurückgebracht hast.« Er streckte mir die Hand entgegen, und ich sah, dass er einen Verband am Arm trug. Sein Händedruck war trotzdem kräftig. Außerdem lächelte er so breit, wie ich zuletzt vor meinem Weggang von der Universität Simmon hatte lächeln sehen.
»Wie geht es dem Arm?«, fragte ich, ohne zu überlegen, wie das klingen musste. Sein Lächeln verging, und ich fügte hastig hinzu: »Ich habe eine Weile als Arzt gelernt und weiß, wie heikel so etwas sein kann, wenn man nicht zu Hause ist.«
Wenn man in einem Land lebt, in dem Quecksilber als Arznei gilt,
fügte ich in Gedanken hinzu.
Sein Lächeln kehrte zurück und er spreizte die Finger. »Er ist noch ein wenig steif, aber mehr nicht. Nur eine Fleischwunde. Sie griffen aus dem Hinterhalt an. Ich bekam einen von ihnen zu fassen, aber er stach auf mich ein und entkam. Wie hast du es geschafft, die Mädchen aus den Händen dieser Ruh, dieses gottlosen Gesindels, zu befreien?« Er spuckte aus.
»Das waren keine Edema Ruh«, erwiderte ich. Meine Stimmeklang gepresster, als mir lieb war. »Es waren nicht einmal richtige Schauspieler.«
Das Lächeln des Bürgermeisters verging wieder. »Was
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