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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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blätterte einige
Seiten um, dann sehr vorsichtig noch weitere. Franklin hatte die Nähte, mit
denen das Buch gebunden war, gelockert, damit es flach auf dem Tisch liegen konnte. Sie schlug eine Seite nach der
anderen um. Viele waren dicht beschrieben. Wenn sie sich beeilten … Kurz vor
dem Ende blieben ihre Augen an etwas hängen, und sie starrte auf die Seite,
dann blätterte sie noch einmal zurück. Die Vorderseite war mit Zigeuner-Symbolen
bedeckt. Die andere Seite jedoch war voller Buchstaben, die sie gewöhnlich
benutzten. Schweigend las sie vier Wörter. Heilung kann erreicht werden …
    »Franklin«, rief sie und stand auf. »Komm
her und sieh dir das an.«
    Nur Augenblicke später war er an ihrer
Seite, griff nach dem Buch mit den rauen Kanten, und seine Hände zitterten, als
er die Seiten vor und zurück blätterte.
    Sadima überdachte gründlich, was sie sagen
sollte, und wie sie ihre immer besser werdende Fähigkeit zu lesen verbergen
konnte. Sie wartete, bis Franklin den Blick hob und sie ansah.
    »Es ist eine andere Sprache, nicht wahr?
Diese Buchstaben sind keine Zigeuner-Symbole, sondern die, die wir
normalerweise benutzen, oder?« Sie zeigte darauf.
    Er nickte langsam. »Ja. O Sadima, wenn das
stimmt, und wenn das die Übersetzung ist …«
    »Wenn das der Fall ist, schuldet dir
Somiss großen Dank«, sagte sie. »Deine Freundlichkeit hat sich ausgezahlt.«
    Aber Franklin hörte nicht zu. Er setzte
sich, und seine Augen huschten beim Lesen auf der Seite hin und her. »Wenn das
eine Übersetzung ist, dann dient dieses Lied dazu, Verletzungen zu heilen.
Sadima! Das ist ja wunderbar.«
    Er legte das Papier wieder auf den Tisch,
dann hob er Sadima hoch und schwenkte sie im Kreis, ehe er sie absetzte.
»Kannst du dir das vorstellen? Wenn jemand im South End krank ist, wird jeder,
der diese Lieder gelernt hat, in der Lage sein zu helfen. Bauern wird es
möglich sein, jedes Jahr eine gute Ernte einzubringen. Niemand wird im Winter
verhungern müssen. Niemand wird ein Kind verkaufen, und kein Kind wird seine
Mutter verlieren. Dann wird dies …«, setzte er an, brach jedoch ab, denn seine
Stimme war tränenerstickt. »Das war es wert, Sadima.«
    Sadima streckte die Hand aus, um Franklin
eine Träne von der Wange zu wischen. Sie wusste, was er meinte. Er sprach von
seinem ganzen Leben und von allem, was er unter Somiss’ Händen erlitten hatte.
Wenn es damit endete, dass Leben gerettet wurden und die Menschen genug zu
essen hatten, dann konnte er den ganzen Schmerz ertragen.
    »Das ist das Geheimnis. Das ist es, was
Somiss tun will«, flüsterte er. »Er will eine Schule eröffnen, in der er Kinder
die Lieder lehrt.«
    Sadima küsste ihn auf die Wange,
überwältigt von den starken Gefühlen in seinen Augen. Vielleicht hatte er
recht. Und vielleicht sollte sie bleiben.
    Franklin lockerte die Nähte noch weiter.
Es gab vier Seiten, die auf diese Weise vorne und hinten beschrieben waren.
Sadima sah ihm zu, wie er in der oberen rechten Ecke jedes Blattes winzige
Zeichen anbrachte, nachdem er es ganz aus der Bindung herausgelöst hatte.
    »Siehst du?«, fragte er, als er wieder
aufsah. »Die Zahlen reichen von eins bis fünf. Wenn die Reihenfolge eine Rolle
spielen sollte, kommen wir auf diese Weise nicht durcheinander.«
    Sadima nickte und starrte auf die kleinen
Symbole. Zahlen. Sie hatte gesehen, dass die Ladenbesitzer hier sie benutzten,
um zusammenzuzählen und abzuziehen. In Ferne benutzten die Leute Striche, die
sie zu Fünfergruppen bündelten.
    »Ich übernehme den schweren Teil«, sagte
sie schnell. »Die Zigeuner-Worte.«
    Franklin lächelte sie an und streichelte
ihr über die Wange. »Du willst doch nur den König sehen.«
    »Gemeinsam mit dir«, antwortete sie. Dann
machte sie sich an die Arbeit.
    Zuerst beendeten sie die Übersetzungen und
legten sie beiseite. Dann machten sie sich wieder an den Rest des Buches. Sie
arbeiteten noch immer, als sie hörten, wie sich die Menschenmenge sammelte. Sie
waren noch weit davon entfernt, fertig zu sein, als die Menschen zu jubeln
begannen.
    Sadima seufzte.
    Franklin ließ seine Feder sinken. »Geh
wenigstens auf den Balkon hinaus. Von dort aus wirst du ohnehin besser sehen.«
    Sadima ging in die Küche und öffnete die
Doppeltüren. In diesem Augenblick kam der König, und seine goldene Kutsche bog
langsam um die Ecke. Sadima konnte das glänzende, weiße Haar des Königs und den
juwelenbesetzten Reif auf seiner Stirn erkennen. Seine Wachen ritten vor

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