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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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beginnen, weil wir jedes Mal völlig aus dem Takt
gerieten, nachdem Somiss uns unterbrochen hatte, um unsere zusammengeschusterte
Aussprache zu berichtigen. Keiner von uns glänzte, nicht einmal Gerrard.
    Schließlich entließ uns Somiss mit einem
angewiderten Wedeln seiner Hand.
    »Werden wir wieder etwas essen dürfen,
sobald wir es aufsagen können, oder muss auch die Aussprache vollkommen
fehlerfrei sein?«, fragte Will beinahe im Flüsterton.
    Somiss verschwand ohne Antwort.
    Ich ging in unser Zimmer zurück und
versuchte, so lange wie möglich wach zu bleiben, um mir das Lied einzuprägen
und mich dabei wenigstens an einige von Somiss’ Korrekturen zu erinnern. Doch
zuerst verschwammen die Worte in meinem Geist, dann die Buchstaben vor meinen
Augen, und schließlich schloss ich das Buch. Ich wollte nur noch fort von hier.
Ich wollte lange genug zu Hause sein, um mich von meiner Mutter zu
verabschieden. Dann würde ich fortlaufen oder mich einfach umbringen. Nichts
erschien mir jetzt unmöglich oder zu erschreckend: Alles wäre besser als das
hier.

59
     
    SADIMA VERLIESS DEN PFAD UND SCHLICH VORWÄRTS. SPAZIERTE ETWA EINE FAMILIE AN
DIESEM FROSTIGEN Morgen durch den Wald? Das erschien ihr
wenig wahrscheinlich. Auch hörte sie im Augenblick außer den Vögeln nichts
mehr. Dann entdeckte sie Franklin, der sich am Fuß des mächtigen Hangs
entlangbewegte. Sie beobachtete ihn, wie er den Sack absetzte und einen Vorhang
aus Ranken beiseiteschob. Eine Höhle? Als er durch die Öffnung trat, musste er
sich tief unter dem Überhang hinabbeugen.
    Sadima rührte sich nicht vom Fleck und
blickte noch einmal zum Pfad zurück. Es war Zeit zu gehen. Doch sie blieb.
Während sie den Fuß des Berghangs im Auge behielt, zog sie sich tiefer in den
Wald zurück, schlug einen Bogen und kehrte
wieder zurück. Als sie eine hohe Fich te mit dichtem Geäst entdeckt
hatte, die nahe am Fuß der Felswand stand, band sie sich ihr Schultertuch eng
um die Taille und begann, sie zu erklettern. Sobald sie hoch genug war, um
etwas erkennen zu können, hielt sie an und suchte sich eine Position, in der
sie es eine Weile aushalten könnte. Dann lauschte sie, während sie aufmerksam
den Eingang zur Höhle beobachtete. Doch alles blieb still.
    Bis Franklin wieder herauskam, hatte
Sadima ihr Tuch losgebunden und einen Weg gefunden, auch ihre Hände und Füße
damit zu wärmen. Sie sah zu, wie Franklin die Ranken hinter sich vor die Öffnung
zog und dann mit gesenktem Kopf fortging, das Gesicht unter dem ungewohnten Hut
verborgen. Die Tasche trug er noch immer bei sich, doch jetzt war sie
offensichtlich leer. Trotzdem bewegte er sich langsam, als trüge er Gewichte an
den Füßen, und das schmutzige Hemd klebte ihm an der Haut.
    Sie folgte ihm mit den Blicken, bis er
beinahe außer Sicht war. Dann kletterte sie nach unten, streckte sich und lief
ein paar Schritte, um ihre Beine zu lockern. Schließlich blieb sie stehen. Sie
wusste, dass sie einfach gehen sollte. Doch was planten die beiden? Keiner von
ihnen hatte eine Vorstellung davon, was es bedeuten würde, hier draußen zu
leben. Beim Versuch, es herauszufinden, würden sie sterben. Wenn sie
tatsächlich die Höhle mit Vorräten ausstatteten, dann wollte sie es jetzt
wissen. Das wenigstens würde es ihr ermöglichen, Franklin auszureden, bei einer
derart gefährlichen Unternehmung mitzumachen. Nach einem weiteren Blick den
Pfad hinab versteckte Sadima ihr Tuch hinter Büschen von Felsenbirnen und rannte
los.
    Es dauerte ein wenig, bis sie die Öffnung
gefunden hatte. Die Ranken reichten von weit
oben den Felsen hinab. Als sie endlich vor dem Eingang stand, begriff
sie, dass sie weder groß noch kräftig genug war, um sie ganz zur Seite zu
schieben, und so schlängelte sie sich hindurch.
    Sie duckte sich unter dem Eingang
hindurch, doch dann konnte sie sich aufrichten. Was dahinter lag, war weniger
eine Höhle als vielmehr eine Art Tunnel. Abgesehen von dem wenigen Licht, das
durch die Ranken fiel, war es vollkommen dunkel, doch sie entdeckte eine Lampe,
die Franklin wahrscheinlich für seinen nächsten Besuch zurückgelassen hatte.
Der Anzünder lag gleich daneben. Mit unsicheren Händen hielt Sadima ihn an den
Docht, steckte ihn anschließend in ihr Kleid und machte sich auf den Weg.
    Der Gang führte lange Zeit geradeaus. Sie
fühlte sich von der Dunkelheit vor und hinter ihr wie in einer Falle gefangen
und hielt zweimal an, um zurückzusehen. Das hier war keine natürliche Höhle.
Aber was

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