Die Gabe der Magie
herum.
»Hol Hemden, Schuhe und Jacken für euch beide.« Sie sprach ihm direkt ins Ohr.
»Beeil dich!«
Als Nächstes rannte sie ins Wohnzimmer,
griff sich die Unterlagen auf dem Tisch und half Somiss, seine Arbeit auf den
Bettlaken zu stapeln und sie dann zu Bündeln zu verschnüren. Es dauerte nur
wenige Augenblicke, aber als sie fertig waren, war der Qualm war bereits viel
dichter. Sie beide husteten, und Tränen quollen ihnen aus den Augen.
»Ich hörte jemanden sagen, dass sie auf
die Tür aufpassen sollen«, erklärte Sadima Somiss. »Wie kommen wir raus?« Er
deutete nach oben. In der Decke des Raums befand sich eine Luke.
Als Sadima sah, wie er den Tisch unter die
mit Scharnieren versehene Tür schob, um sie zu öffnen, wurde ihr klar, dass er
wahrscheinlich damit gerechnet hatte, sie eines Tages als Fluchtweg nutzen zu
müssen. Vielleicht hatte er dies sogar so geplant. Da kam Franklin zurück,
hustend und mit gerötetem Gesicht. Aber er hatte ihre Schuhe und Kleidung in
einem zusammengeknoteten Laken bei sich.
Somiss ging zuerst. Dann hob Franklin die
Lakenbündel hoch, in denen sich die Papiere befanden, und Somiss zerrte sie
durch die Öffnung. Franklin bestand drauf, Sadima als Nächste hochzuheben. Sie
griff nach Somiss’ Händen. Er hievte sie aufs Dach und half ihr auf die Beine,
ehe er sich umdrehte, um Franklin die Hände zu reichen. Inzwischen ertönten von
der Straße her laute Rufe. Sadima hörte, wie eine Frau wütende Flüche ausstieß.
Hoffentlich war das ihre Vermieterin, die unbeschadet aus dem Gebäude gelangt
war.
»Hier entlang«, sagte Somiss. »Seid
vorsichtig: Einige der Dachschindeln sind lose.«
Er und Franklin trugen je zwei
Lakenbündel. Sadima ging zwischen ihnen. Als das Dach steiler wurde, rückte
Franklin näher zu ihr heran. Dann, als es wieder flacher wurde, warf Somiss
zuerst sein Bündel über eine Lücke auf das Dach des nächsten Hauses, bevor er
selbst hinübersprang. Nachdem Sadima ihren Mut und ihr Kleid zusammengerafft
hatte, folgte sie ihm. Schließlich war Franklin an der Reihe.
Sobald sie alle drei drüben waren, setzte
sich Somiss wieder an die Spitze. Er musste diesen Weg mindestens einmal zuvor
abgegangen sein. Kaum hatten sie das Dach des Nachbarn überquert, sprangen sie
hinunter auf ein Gebäude, das nur zwei Stockwerke hoch war. Von hier führte
Somiss sie auf eine Außentreppe, über die sie zum Boden gelangten. Er öffnete
den Riegel, um sie hinauszulassen. Offensichtlich hatte der Besitzer nicht
damit gerechnet, dass Eindringlinge von oben kommen könnten.
Auf der Straße angelangt, rannte Somiss
sofort los und hielt sich sorgfältig in den Schatten verborgen. Als sie
zurückblickte, konnte Sadima die Flammen und den orangefarbenen Feuerschein
über dem Haus sehen. Es gab Rufe und Schreie, und ein Gespann mit Wasserfässern
in einem schweren Wagen klapperte die Straße hinunter. Als Sadima und die
beiden anderen sich hinter einer Kutsche versteckten, um den Wagen
vorbeizulassen, kam sie wieder zu Atem. Halb aufgerichtet stand der Fahrer auf
dem Kutschbock und ließ die Peitsche über den Zugtieren knallen.
Die Kutschpferde schnaubten und
versuchten, nervös vom Qualm und Aufruhr, aus ihrem Geschirr auszubrechen.
»Schau dir das an«, sagte Somiss. Lachend deutete er auf die offene Kutsche,
dann warf er die Lakenbündel hinein, ehe er Sadima hochhob und sie über den
Rand schob. Franklin kletterte hinterher, während sie sich aufrappelte und die
schmerzende Seite hielt. Die Pferde wieherten und schüttelten ihre Mähnen, und
Somiss wollte die Zügel losbinden. Umständlich zerrte er am Zügelknoten.
Wahrscheinlich, so dachte Sadima, hatte er nie zuvor eine Kutsche gelenkt.
Sie wollte sich gerade nach vorn lehnen,
um die Zügel zu greifen, als Somiss sich die Peitsche schnappte und auf den
Rücken der Pferde einhieb. Ohnehin vom Rauch verängstigt, galoppierten die
Tiere sofort los. Die Kutsche machte einen Satz, und Sadima stürzte. Mühsam
drehte sie sich auf die Seite. Franklin, der gerade hatte einsteigen wollen,
hing halb am Rand der Kutsche und klammerte sich verzweifelt fest.
Sadima versuchte aufzustehen, indem sie
sich an der Bank für die Reisenden festhielt. Dann griff sie nach Franklins
Hemd. Stück für Stück zog sie ihn weiter hinein, bis sie unter seinem Gewicht
wieder auf die Bodenbretter zurückfiel. Sie klammerten sich aneinander fest,
als die Kutsche um eine Ecke schoss und sich zwei Räder in die Luft erhoben, ehe sie wieder
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