Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
Vom Netzwerk:
den Augen.
»Ich kann es auch jetzt nicht tun. Irgendjemand wird es tun, irgendwann, aber
das werde nicht ich sein.«
    Ihr Zorn verwandelte sich in etwas
Wärmeres und unendlich viel Tieferes. Sie schmiegte ihren Kopf an Franklins
Brust, und für einen Moment lagen sie beide da und atmeten fast im gleichen
Rhythmus. Dann ließ er sie los. Sie stand auf, lief aber nicht weg. Auch
Franklin erhob sich. Schweigend sahen sie einander an.
    »Wenn du bleibst«, begann er langsam,
»werde ich dich für immer lieben. Wenn du gehst, werde ich dich für immer
lieben. Aber ich kann nicht mit dir gehen, nicht, solange Somiss lebt. Wenn ich
das täte, wüsste ich, was geschehen würde.«
    Kopfschüttelnd fragte Sadima: »Wie könnte
es schlimmer sein als das hier?«
    Franklins Blick war voller Schmerz. »Es
kann, und ich werde dir eines Tages auch sagen, woher ich das weiß. Wenn du
bleibst.«
    Sie starrte ihn an, unfähig, irgendetwas
zu erwidern, und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Er ist hoch begabt«, sagte Franklin. »Er
wird die Magie wiederentdecken und die Welt verändern. Alles wird besser werden
– wenn ich tue, was ich immer getan habe.«
    Sie hob die Hand, um seine Wange zu
berühren. »Du kannst ihn nicht davon abhalten …«
    »Er vertraut mir«, fiel Franklin ihr ins
Wort. »Beinahe liebt er mich.«
    Endlich verstand sie. Sie blinzelte. »Und
sonst niemanden.«
    Er nickte.
    »Also denkst du, wenn du ihn verließest …«
    Wieder nickte er. »Ja. Dann wäre nichts
mehr da, um seine Menschlichkeit zu bewahren. Weißt du, dass er bereits vieles
verbirgt, was er gelernt hat?«
    Jetzt nickte Sadima. Sie hörte den Ruf
einer Elster, dann horchte sie auf den Wind, der durch die Baumwipfel fuhr.
    »Willst du nicht auch etwas tun, das
wirklich etwas bedeutet?«, fragte Franklin. »Du hast davon gesprochen, dass
Menschen die Herzen der Tiere verstehen müssten, und die Magie ist noch viel
größer als das. Tausendmal größer. Willst du dein Leben auf einem Bauernhof
verbringen, Sadima? Wirklich?«
    Sie schluckte. Dann antwortete sie
langsam, den Blick auf die Bäume gerichtet: »Ich werde bleiben, wenn du mir
etwas versprichst.« Sie sah ihm unverwandt in die Augen.
    »Was?«
    »Dass du ihn töten wirst, wenn es
notwendig ist.«
    Franklin erstarrte.
    »Wenn du mir das nicht versprechen kannst,
kann ich nicht bleiben«, sagte sie.
    Sein Blick fuhr zum Himmel empor, dann
hinunter zu dem Gras zu seinen Füßen. Schließlich nickte er, und sie
schüttelten sich die Hände wie zwei Kaufleute, die einen Handel getätigt
hatten. Doch sie ließen nicht eher wieder los, bis sie auf der Straße ankamen,
wo jemand sie hätte sehen können.

62
     
    ALS WIR BEIM NÄCHSTEN MAL UNSEREN TEXT
AUFSAGTEN, SCHAFFTE ICH ES MIT NUR FÜNFZEHN KORREKTUREN durch das gesamte Lied. Ich war derart erleichtert, dass ich
lächelte, ehe ich die finsteren Blicke bemerkte,
die mir Luke zuwarf. Die se waren verständlich, denn er hatte bei dreißig
oder mehr Wörtern Fehler gemacht. Will schnitt noch schlechter ab. Seine Augen
hatten bereits wieder diesen hohlen Ausdruck angenommen. So viel Furcht lag in
ihnen, dass ich ihn allein deshalb schon bemitleidete, weil er solche Angst
hatte und ganz allein war. Auch Jordan und Levin verbesserten sich, stolperten
über weniger Worte und schafften es bis zum Ende des Liedes. Dann war Gerrard
an der Reihe. Es gelang ihm fehlerfrei. Ich versuchte, ihn nicht dafür zu
hassen, als er an unserer Tür vorbei zum Speisesaal ging und dann, als er
später zurückkehrte, nach Fischeintopf roch.
    Ich arbeitete an dem ersten Lied, als Jux
gegen unsere Tür schlug. Gerrard, der auf seinem Bett gesessen hatte, erhob
sich ebenfalls, doch Jux bedeutete ihm, zurückzubleiben. Als wir fortgingen,
warf ich Gerrard einen Blick zu, aber er sah nicht wütend aus, eher ängstlich.
    Diesmal musste ich mich in einer gläsernen
Einfriedung hinsetzen, zusammen mit severenianischen Kolibris, die sich in
einem kleinen Käfig befanden. Man sagte mir, dass ich sie hinauslassen sollte.
Das war alles. Weitere Anweisungen gab es nicht.
    Kolibris hatte ich noch nie zuvor gesehen,
und auch sonst keinen Vogel, dem sie ähnlich gewesen wären. Mit verschränkten
Armen saß ich reglos da, während die Tiere bemerkten, dass der Käfig geöffnet
worden war. Ein Vogel nach dem anderen flatterte heraus. Es waren sechs. Sofort
begannen sie, in der gläsernen Eingrenzung herumzufliegen.
    Ich stand auf, schwenkte die Arme und
versuchte, sie zu

Weitere Kostenlose Bücher