Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
der Zeit, deshalb können wir uns diesen Luxus erlauben! Aber danach sehen wir zu, daß wir auf direktem Weg zu der Kolchose kommen!"
"Einverstanden", erwiderte Tom.
Tom sprang vom Panzer herunter. Er breitete die Arme aus und fing mich auf.
"Die Uksaki müssen ganz in der Nähe sein", meinte er.
"Ja, ich weiß", sagte ich.
"Patti, ich weiß nicht, wie das alles enden wird, aber... Es kommen immer mehr Erinnerungen, Patti."
Ich blickte ihn an.
"Erinnerungen von Maguan, dem Jäger?"
"Ja. In Maguans Augen waren die Uksaki unvorstellbar mächtige Wesen, und es gab nichts, was man ihnen
entgegensetzen konnte!"
"Ich habe keine Angst, Tom!"
Er lächelte matt und küßte mich leicht auf die Stirn. Dann musterte mich der ruhige Blick seiner grüngrauen Augen. "Du bist eine schlechte Lügnerin, Patti!"
"Wäre es dir anders lieber?"
"Ich glaube nicht."
Er nahm mich bei der Hand, obwohl ich von ihm natürlich kaum etwas spüren konnte. Die Fausthandschuhe ließen einem die Hände wie taub erscheinen, aber sie mußten so dick gefüttert sein, wenn man in dieser mörderischen Kälte keine Erfrierungen riskieren wollte.
"Die Spuren verschwinden einfach", stellte Tom fest. Er beugte sich nieder, berührte die Spuren auf die gleiche Weise, wie ich es schon einmal bei ihm beobachtet hatte. So als wäre er für einen Moment wieder jener Jäger namens Maguan, der vor unvorstellbar langer Zeit durch diese Einöde gestreift war und vielleicht dieselben Spuren untersucht hatte...
Eine seltsame Vorstellung.
Ich kniete mich neben ihn. Sergej blieb etwas abseits. Er überprüfte die Ketten des Panzers. Mit einem Stock bohrte er ein paar Eisklumpen aus den Rädern heraus, über die die Kette lief. Für die Spur schien er sich nicht zu interessieren. Jedenfalls gab er das vor. Ich hatte allerdings ein anderes Gefühl, denn in Wahrheit beobachtete uns Sergej sehr aufmerksam.
Ich starrte auf die Abdrücke der gewaltigen Tigerpranken.
"Es sieht aus, als ob das Tier..."
"...geflogen wäre?" vollendete Tom.
Ich nickte.
"Ja. Die Abdrücke werden immer weniger tief, bis sie nicht mehr zu sehen sind."
"Es ist genau wie damals!" flüsterte Tom. Ein wütendes Fauchen ertönte in diesem Moment. Ein dumpfes Knurren folgte. Ein Geräusch, daß uns unnatürlich laut erschien. Viel lauter, als man es von einem gewöhnlichen, einzelnen Amur-Tiger erwarten konnte.
Gleichzeitig fühlte ich sehr deutlich die Anwesenheit jener mentalen Kraft, die von den Uksaki auszugehen schien. Eine Kraft, die außergewöhnlich groß war. Wie ein Schlag vor den Kopf traf sie mich. Für den Bruchteil einer Sekunde drehte sich alles vor meinen Augen. Ich fühlte, wie Tom mich am Oberarm packte und hochzog.
Erneut ertönte ein wildes Fauchen.
Es klang verfremdet, so als wäre es nicht hier unter freiem Himmel, sondern in einem Gewölbe ausgestoßen worden. In einer Höhle! durchfuhr es mich eiskalt.
Wie jene, die ich in meiner Vision sah...
"Kommen Sie!" hörte ich Sergej wie aus weiter Ferne rufen.
"Los! Worauf warten Sie noch!"
Panische Furcht klang in den Worten des Wildhüters mit, die noch akzentschwerer klangen, als normalerweise. Das Knurren und Fauchen wurde lauter, bedrohlicher. Es war geradezu ohrenbetäubend. Ich drehte mich herum, während eiskalter Schrecken mein Innerstes erfaßte. Aufmerksam ließ
ich den Blick umherschweifen, aber ich sah buchstäblich nichts. Nichts, was sich bewegte, keine gelbschwarz gestreifte Großkatze, kein glühendes Augenpaar, das mich mit kaltem Blick musterte...
"Los, hinauf auf den Wagen", sagte Tom dann, der in dieser Sekunde aus der eigentümlichen Starre zu erwachen schien, die ihn befallen hatte. Tom schob mich vor sich her und half mir dabei, das Fahrzeug zu erklimmen.
Ein eigenartiges Geräusch ließ uns beiden mitten in der Bewegung erstarren.
Ich war bereits oben auf dem Fahrzeug, Tom stand noch im Schnee.
"Wir müssen weg! Verdammt noch mal!" schrie Sergej dazwischen. Und dann verstummte auch er, während sein Gesicht zu einer Maske der Furcht erstarrte. Seine Augen traten aus ihren Höhlen hervor. Er starrte so ungläubig in den Schnee, wie wir alle.
Denn dort bildeten sich wie von Geisterhand in den Schnee gedrückt...
Spuren!
Mit einem knirschenden Geräusch waren sie plötzlich da und bildeten eine Linie. Dieses Knirschen war der einzige Laut, der im Moment zu hören war, bis jemand versuchte, den Motor des Panzers zu starten.
Der Fahrer hatte ihn während unseres Stops abgestellt.
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