Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
George!"
"Daran, daß er jetzt wieder aktiv geworden ist, tragen wir drei leider eine gewisse Mitschuld", gestand Sandra ein. "Mr. Milton führte mit uns eine Totenbeschwörung durch. Er wandte sich an uns, nachdem unser Vater, der das Vermögen nach Georges und Clarissas Tod erbte, ein solches Ansinnen immer abgelehnt hatte. Ich wollte Gewißheit über das, was geschehen war..."
"...und ich ebenfalls!" ergänzte Milton. "Schließlich war der Fall Zachary Bascomb für mich zu einem Studienobjekt geworden. Und die Beschwörung seines Geistes aus dem Reich der Toten hätte einige Fragen beantwortet..."
"Was geschah?" fragte ich.
Milton atmete tief durch. Er wich meinem Blick aus und hob die Schultern. Es war eine Geste der Hilflosigkeit. "Etwas klappte nicht. Es war nicht der Geist von Zachary Bascomb, den wir beschworen, sondern ein düsteres Wesen, das aus purer Finsternis zu bestehen schien. Ein Wesen voller Haßgedanken. Der Gedankenkontakt mit ihm währte nur Sekunden und doch litt ich wochenlang unter den Folgen... Unbeabsichtigt hatten wir bei unserer Seance ein furchtbares Etwas in unsere Welt geholt..." Er wandte sich an Tom. "Sie sprachen davon, eine Wiedergeburt von George zu sein. Reinkarnation ist ein Gebiet, auf dem ich ebenfalls für einige Zeit geforscht habe
- jedoch mit geringem Erfolg. Für mich steht seitdem nur fest, daß wir nichts wissen. Nicht, ob es Reinkarnation wirklich gibt und wenn ja, ob jeder Mensch wiedergeboren wird oder ob das nur auf einige wenige zutrifft... Genausowenig wissen wir, wie lange es dauert, bis eine Seele sich einen neuen Körper gesucht hat. Wenn es wahr ist, was Sie sagen, Mr. Hamilton, dann gäbe es allerdings vielleicht eine Erklärung für das, was geschehen ist..."
"Und die wäre?" fragte ich.
Meine Stimme klang etwas belegt.
Ich hatte eine dunkle Ahnung, worauf er hinauswollte.
"Der deutsche Okkultist Hermann von Schlichten behauptet in seinem Buch Absonderliche Kulte, daß ein Rachegeist nicht immer durch den Tod derer befriedet wird, die das Unrecht verursacht haben. Es könne auch zu einer Art Spaltung kommen. Die Seele des Rächers auf der einen - und ein finsterer Dämon auf der anderen Seite. Und dieser Dämon setzt die Rache fort. Notfalls an Nachfahren oder Amtsnachfolgern der Beschuldigten."
"Oder an deren Wiedergeburten...", stellte Tom fest.
"Deswegen jagt er mich!"
"Ein solcher Dämon wird mehr und mehr zu einem blindwütigen Mörder", erläuterte Milton. "Zumindest, wenn man nach von Schlichtens Schilderungen geht, die sich auf Quellen des Mittelalters beziehen. Er ernährt sich von mentaler Energie wie sie im Augenblick des Todes frei wird. Und irgendwann ist es ihm gleichgültig, ob die Ermordeten etwas mit dem Unrecht zu tun hatten, das er ursprünglich rächen wollte. Der Geist der Rache verselbständigt sich, während die Seele dessen, dem so übel mitgespielt wurde, längst ihren Frieden gefunden hat."
*
Einige lange Augenblicke herrschte Schweigen. Betretenes Schweigen. Der alte Butler betrat den Raum, um uns etwas zu Trinken anzubieten. Aber niemand von uns hatte für einen Drink den rechten Appetit.
"Sind Sie dem Leichenwagen bereits begegnet, Mr. Hamilton?" fragte Alexander Milton schließlich.
Tom nickte.
"Ja."
"Warum..."
"Warum ich noch hier vor Ihnen stehe?" Tom zuckte die Achseln. "Ich weiß es nicht. Ich konnte dieses Wesen irgendwie abwehren. Durch Konzentration. Aber über solche Dinge werden Sie mehr wissen als ich."
Milton verzichtete auf eine direkte Erwiderung. Er kratzte sich am Kinn.
Dann blitzte es plötzlich in seinen Augen.
"Kommen Sie!" forderte er. Er sah erst Tom, dann mich an. "Sie auch, Miss Vanhelsing! Ich möchte Ihnen etwas zeigen."
Eric fragte: "Was haben Sie vor, Mr. Milton?"
"Holen Sie den Schlüssel, Eric!" war die Erwiderung. "Den Schlüssel für die Garage..."
Eric zögerte.
Erst später konnte ich mir erklären, weshalb.
Er sah Tom und mich nacheinander kurz an und wirkte verändert dabei. Anspannung stand überdeutlich in sein Gesicht geschrieben.
Dann nickte er.
"In Ordnung", murmelte er halblaut. "So soll es geschehen..."
*
Wir traten hinaus ins Freie. Es herrschte eine feuchte, unangenehme Kühle, die einem unbarmherzig die Kleidung hindurchschnitt. Eine Kälte, die mir durch Mark und Bein ging.
Die Nebelschwaden, die vom Fluß heraufgezogen waren, bildeten jetzt eine Mauer aus undurchdringlichem Grau, die die Villa der Bascombs von allen Seiten einzuschließen schien.
Wir
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