Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
im Mondlicht deutlich sichtbar.
Meany umfaßte die Kugel und hob sie hoch. Sie war schwer, aber Meany hob sie an, als wäre sie federleicht. Er begann eigenartige Silben zu murmeln. Worte einer längst vergessenen Sprache, deren wahre Bedeutung niemand mehr herauszufinden in der Lage war. Immer wieder murmelte er diese Silben vor sich hin. Eine Art Rhythmus entstand. Die Metallkugel begann zu leuchten. Erst rot, dann grün, dann schließlich weiß.
Die Farbe vollkommener Reinheit! ging es ihm durch den Kopf während er die Augen zusammenkniff. Die Helligkeit, die von der Kugel ausging, war dermaßen grell, daß selbst das Schließen der Augen nicht dagegen zu schützen vermochte.
Er fühlte einen unglaublichen Strom mentaler Energie von der Kugel in seine Hände und den gesamten Körper fließen. Meany zitterte.
Im nächsten Moment zuckte der Blitz durch die Nacht. Einer gewaltigen Entladung gleich, zischte er aus der Kugel heraus in Richtung des Waldes...
*
Als ich den Blitz sah, glaubte ich, im nächsten Moment zu erblinden. Taghell wurde es für Sekundenbruchteile. Und gleichzeitig wurde der Druck hinter den Schläfen unerträglich...
Vage nahm ich wahr, daß da noch eine andere Kraft war, mindestens ebenso stark wie jene, die ich bislang zu spüren bekommen hatte. Es mußte eine gewaltige Entladung mentaler Energien sein, die da vor sich ging. Ich wehrte mich dagegen, in Bewußtlosigkeit zu versinken.
Das unnatürlich biegsame Holz des Astes umfaßte mich fester. Ich bekam kaum noch Luft.
Der Blitz zuckte indessen als weißglühender Strahl aus ultrahellem Licht in jenen Zwitter aus Baum und Mensch, in den George Malldoon sich verwandelt hatte. Er fing sofort Feuer.
Von dort aus schien sich der Lichtstrahl zu teilen. Wie tanzende Funken zuckten diese Entladungen durch den Wald hindurch. Von Baum zu Baum. Der unheimliche Chor im Hintergrund bekam schrille Untertöne und verwandelte sich schließlich in einen einzigen Schrei des Entsetzens. Ein Baum nach dem anderen fing Feuer. Die Glut raste die entblößten Wurzelstränge entlang.
Eine mörderische Hitze breitete sich aus.
Ich versuchte, mich loszustrampeln, aber der geisterhafte Griff, mit dem Wurzeln und Äste mich hielten, war noch immer unüberwindlich. Ich rang nach Atem, keuchte, schnappte nach Luft...
Todesangst schüttelte mich.
Ich schrie Toms Namen.
Ein Schrei der vollkommenen Verzweiflung, der im Knacken von Ästen unterging.
Das ist das Ende! dachte ich, bevor sich gnädige Bewußtlosigkeit über mich legte.
*
Die Morgensonne weckte mich. Sie kroch blutrot über den Horizont. Es war kühl. Ich war noch immer gefangen im Wurzelwerk. Und der Ast schlang sich nach wie vor um meinen Körper. Aber es schien kein Leben mehr in ihm zu sein. Das Holz war starr und morsch. Als ich mich bewegte, brach es auseinander. Es zerbröselte, als ob es seit langem abgestorben gewesen wäre.
Ich blickte mich um.
Tom schien ebenfalls gerade erwacht zu sein.
Er erhob sich und ging auf mich zu. Seine Hand griff nach der meinen und zog mich empor.
"Patti...", flüsterte er.
"Oh, Tom..."
Ich schmiegte mich an ihn, schlang die Arme um seinen Hals, und wir lehnten uns gegeneinander.
"War da nicht... Feuer?" flüsterte ich. Ich hob den Kopf und ließ den Blick über die Umgebung schweifen. Der Wald stand da, wie ein seit Jahrhunderten überalterter und verwilderter Forst. Wie erstarrte Skulpturen wirkten die knorrigen Stämme. Bei manchen konnte man glauben, die Strukturen von Gesichtern zu erkennen...
"Was ist geschehen?" flüsterte ich.
"Ich weiß nicht, ob wir das je wirklich begreifen werden, Patti..."
Ich blickte zu jenem Baum hin, zu dem George Malldoon geworden war. Er sah aus, als hätte er schon immer dort gestanden...
Von den Leuten aus dem Dorf war nirgends eine Spur. Sie schienen sich in alle Winde verstreut zu haben. Und mancher von ihnen würde jetzt wohl darüber nachgrübeln, was von den Ereignissen der vergangenen Nacht
Wirklichkeit, und was nur die Ausgeburt eines schrecklichen Alptraums gewesen war. Ich selbst war mir im Moment nicht sicher. Aber immerhin war da dieser Baum...
Wir traten zögernd zu ihm hin.
Ich berührte ihn scheu. Es ist ein Beweis! dachte ich. Ein Beweis dafür, daß das, was wir erlebt haben, wirklich geschehen ist!
Tom deutete auf einen der benachbarten Hügel hinauf.
"Dieses grelle Licht... Patti, es kam von dort!"
"Ich weiß."
"Laß uns dort einmal nachsehen."
*
Wir fanden auf dem Hügel den toten
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