Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
Boden.
Sie hatte erwartet, daß die unvorstellbar großen Energien dieser Entladung sie verbrennen würden.
Selbst in einer Entfernung von mehreren Metern konnte ein Blitzeinschlag noch zu schweren Verletzungen oder dem Tod führen.
Aber Helen war unversehrt.
Jarmila lachte schauderhaft.
Sie hob die Arme, öffnete die Hände...
Und dann fuhren die gewaltigen Energien, die gerade in den Boden eingedrungen waren, wieder aus dem Erdreich heraus. Grelle Strahlen schossen aus der schwarzen Linie hervor, die einen Kreis um Helen gebildet hatte.
Diese Strahlen trafen auf Jarmilas Fingerkuppen, und es machte den Eindruck, als würde die blonde Frau mit den abgrundtief dunklen Augen, mit ihren Händen all das an Energie aufnehmen, was noch Sekundenbruchteile zuvor in den Boden gefahren war.
Helen zitterte.
Sie kontrolliert alles! ging es ihr fröstelnd durch den Kopf. Gewaltige Kräfte, die niemand sonst zu beherrschen wußte...
Helen öffnete die Lippen, sah ihr Gegenüber mit einem Blick an, der eine Mischung aus Haß und blanker Verzweiflung zeigte.
Das Grauen schüttelte sie.
"Jarmila! Warum tötest du mich nicht?" rief sie. "Warum vollendest du es nicht?"
Jarmilas Blick ruhte auf ihr.
Die dunklen Augen verwandelten sich zurück. Sie schüttelte den Kopf.
"Nein, Helen", murmelte sie. "Nein." Ihr Lachen wirkte wie irre. Jarmila drehte sich herum. Mit langsamen Schritten lief sie zurück zu dem Hügel, auf dem Helen sie zuerst gesehen hatte.
"Jarmila!" rief Helen.
Sie schrie es beinahe.
Das dumpfe Grollen des Donners war die Antwort. Helen erhob sich.
Im selben Moment sah sie, wie Jarmila den Hügel erreichte. Ihre Gestalt wurde transparent und wirkte im nächsten Augenblick wie eine schwache, unscharfe Projektion. Aus dem Nichts heraus schoß ein greller, blauweißer Blitz dicht vor Helens Fußspitzen.
Jarmilas Gestalt verblaßte zur Gänze.
Regen setzte ein und innerhalb von wenigen Augenblicken klebte Helen das Haar am Kopf.
Reglos stand sie da und blickte zu jener Stelle an der Jarmila verschwunden war.
Es wird nie aufhören! dachte sie voller Verzweiflung. Nie...
*
Es war bereits abend, als wir die Lichter Londons in der Dämmerung sahen. Wie ein Spiegelbild des Sternenmeeres. Tom saß am Steuer des Volvo, und ich kämpfte mit meiner Müdigkeit. Ein wunderbares Wochenende in Cornwall lag hinter uns. Morgen früh erwartete uns beide wieder unser Job als Reporter der LONDON EXPRESS NEWS. Ein paar Tage hatten wir
in der Nähe von Land's End ausgespannt, die unvergleichliche Landschaft und das Meer genossen.
Und unsere Liebe.
Tom Hamilton war Mitte dreißig, hochgewachsen und dunkelhaarig. Und der Blick seiner graugrünen Augen hatte immer etwas Geheimnisvolles an sich. Ich verband diese Augenfarbe immer mit der Weite des Meeres, mit dem Glitzern der Sonnenstrahlen auf der Wasseroberfläche und dem Geruch von Seetang und Salz.
Tom war Reporter einer großen Nachrichtenagentur gewesen, bevor er bei den NEWS angeheuert hatte. Lange Jahre hatte er als Korrespondent in Übersee verbracht - vor allen in Asien.
Für ihn war eine Stelle bei den LONDON EXPRESS NEWS einer Boulevardzeitung! - eigentlich ein beruflicher Abstieg. Ich hatte mich lange gefragt, wie es dazu hatte kommen können. Besonders redselig war Tom nicht, was seine Vergangenheit anging. Aber inzwischen wußte ich, daß das Ende seiner Korrespondenten-Karriere mit einem mehrmonatigem Aufenthalt im Dschungel Südostasiens zusammenhing. In dem geheimnisvollen Tempel von Pa Tam Ran - irgendwo im Dreiländereck Thailand-Kambodscha-Laos gelegen, hatte er die besonderen Konzentrationstechniken der dortigen Mönche kennengelernt. Seit frühester Jugend hatte er unter seltsamen Träumen gelitten, die sich nun als Bilder aus früheren Leben entpuppten, zu denen Tom einen bewußten Zugang gewann. Erinnerungen an vergangene Leben waren für ihn mittlerweile selbstverständlich.
Kein Wunder, daß er über eine besondere Sensibilität verfügte, was übersinnliche Phänomene und dergleichen anging. Nie wäre er bei aller Skepsis zu einem vorschnellen Urteil auf diesem Gebiet gekommen.
Und so hatte ich ihm schließlich auch anvertraut, daß ich über eine leichte seherische Gabe verfügte, die ich vermutlich von meiner verstorbenen Mutter geerbt hatte. Außer meiner Großtante Elizabeth Vanhelsing, die mich auf diese Gabe aufmerksam gemacht hatte, gab es niemanden sonst, der davon wußte.
Ein Beweis des unendlichen Vertrauens, das ich Tom
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