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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Konstantinopel besprochen wurde, drang nicht zu den unteren Tischen vor. Nur Odo war an die königliche Tafel gerufen worden. Zu einem überaus kurzen Wortwechsel.
    »Morgen«, sagte Odo finster, als er zu Lucas und Ezra an den Tisch zurückkehrte. Er griff nach seinem Becher und leerte ihn in einem Zug. »Morgen will er wissen, wie und wann die Kuppel gebaut wird. Er will sich nicht länger hinhalten lassen. Morgen sind wir erledigt.«
    Ezra stellte das Licht am Beckenrand ab, zog die Tunika aus, faltete sie zusammen und ließ sich dann langsam ins warme Wasser gleiten. Wie wohltuend, dachte sie, in einer unendlichen Stille dahinschwebend. So stelle ich mir das Paradies vor. Frei von Lärm, von Schmutz, von Verfall und üblen Ausdünstungen. Könnte ich doch für allezeit hier verweilen.
    Das Licht in der Schale flackerte. Mit lautem Knall fiel eine Tür ins Schloss.
    All dies nahm Ezra wahr, doch es riss sie noch nicht gänzlich aus ihrer Versenkung. Frei von Menschen, dachte sie, ich habe mir ein Paradies frei von Menschen vorgestellt. Ist denn, wer es betritt, noch Mensch zu nennen?
    Es war eindeutig ein Mensch, der jetzt am Beckenrand stand, ins Wasser blickte und die zusammengefaltete Tunika aufhob.
    »Schau an, ich habe Gesellschaft.«
    Sie kannte diese helle männliche Stimme.
    »Zeig dich deinem König, wer immer du sein magst.«
    Kein Schreck hätte größer sein können. Ezra ließ Kopf und Körper gänzlich im Wasser verschwinden. Um Atem ringend, tauchte sie wieder auf, blickte entsetzt auf die Gestalt am Beckenrand und bewegte sich, so schnell sie konnte, auf die gegenüberliegende Seite des Beckens zu, bemüht, ihren ganzen Körper von dunklem Wasser bedeckt zu halten.
    Karl stemmte die Hände in die Hüften.
    »Sofort herauskommen«, befahl er.
    Ezra hatte das Ende des Beckens erreicht. Verzweifelt starrte sie nach rechts, wo sich eine Gittertür zur Freiheit öffnete. Wenn sie sich eilte, könnte sie es schaffen, hinauszuschlüpfen und einfach davonzulaufen. Sie holte tief Luft, warf das nasse Haar in den Nacken, zog sich am Beckenrand aus dem Wasser und rannte auf die Tür zu.
    »Dieser Eingang wird verschlossen, wenn ich mich in der Stadt aufhalte«, hörte sie die Stimme des Königs näher kommen, während sie verzweifelt am Knauf rüttelte. »Weshalb willst du davonlaufen? Wer bist du? Zeig dich mir!«
    Die Stimme war jetzt sehr nah.
    Den Türknauf umklammernd, sank Ezra zu Boden. Diese Scham würde sie nicht überleben.
    »Ein Weib«, sagte Karl erstaunt und begann zu lachen.
    »Wenn sich ein nacktes Weib in meinem Bad tummelt, möge es sich umdrehen. Das ist ein Befehl.«
    Befehlen von Königen durfte sich niemand widersetzen. Zum Sterben bereit, wandte sich Ezra um. Sie stellte sich aufrecht hin. Zumindest das war sie ihrem Schöpfer schuldig; sie würde diese Welt nicht zusammengekauert verlassen. Wasser tröpfelte ihren Leib hinab. Mit dem linken Arm mühte sie sich, ihre Brust zu bedecken, die rechte Hand hielt sie vor ihren Schoß.
    »Ich bitte untertänigst um Verzeihung«, murmelte sie, ohne sich zu rühren oder aufzublicken. Und dann sah sie es. Dunkle Tropfen, die auf die hellblauen Mosaiksteine des Badehauses träufelten. Blutige Tropfen, die aus ihrem Körper kamen. Allah hatte ihre Gebete erhört.
    Sie hob die Lider.
    »Danke«, sagte sie laut. Und lächelte den König an.

kapitel 12
    portale
    Oh du, der du die Menschen in die Mühsal stürzest,
    Du machst, dass Sorge wie des Elends Ursach weicht,
    Oh lass mich nie begehren, was sich mir versagte;
    Wie mancher der begehrt, hat nie sein Ziel erreicht.
    Aus 1001 Nacht (die 833. Nacht)
    L ächelte sie? Im Dämmerlicht der Halle war dies schwer zu erkennen, doch dem König schien, als habe das Weiß ihrer Zähne kurz aufgeblitzt. Diese Schamlosigkeit ließ ihm den Atem stocken. Zugleich entfachte sie in ihm eine wohlvertraute Glut. Die er im wilden Sachsenland angesichts eines dahergelaufenen Mädchens sofort geschürt hätte, aber inmitten seiner Aachen er Residenz musste er dieses Feuer klein halten; die Gier bändigen, bis er wusste, mit wem er es zu tun hatte.
    »Gib dich deinem König zu erkennen«, wiederholte Karl scharf. Er verwarf den Gedanken, einer seiner Getreuen könne ihm eine Dirne als Willkommensgruß in das Badehaus gesandt haben. Keiner von ihnen hätte ahnen können, dass ihn in der Nacht seiner Rückkehr zu so später Stunde die Lust auf ein warmes Bad überkommen würde. Und alle wussten, dass er, der seine

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