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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Beichte abgenommen hatte, sicher nicht unberührt gelassen. Der Abt sah seine Vermutung bestätigt, als er sich zu dem Kind hinbeugte und ähnlich roten Haarflaum wahrnahm, wie ihn fast alle neugeborenen Nachkommen des Kaisers aufwiesen.
    Eilig entschuldigte er sich für die ausgebliebenen Körbe. Da jetzt der Weg zum Haus wieder gangbar sei, sagte er, würde alles, dessen sie bedurfte, nachgeliefert werden. Wolle sie einen besonderen Wunsch äußern?
    Nur sein letzter Satz drang zu Ezra durch.
    »Ja«, sagte sie. »Ich brauche ein Pferd. Ich muss so schnell wie möglich nach Aachen zurückkehren.«
    Doch die tief verschneiten Wege ließen keine Abreise zu.
    Ezra musste sich in Geduld üben.
    Zu diesem Zeitpunkt war Isaak am Ende seiner Geduld. Er verzweifelte am Starrsinn des Elefanten. Abul Abbas weigerte sich, an einer nicht einmal besonders engen Stelle des Saumpfades knapp oberhalb der Baumgrenze auch nur einen kolossalen Fuß vor den anderen zu setzen. Wie ein gigantisches Denkmal aus weißem Parosmarmor blieb er unverrückbar stehen. Da halfen kein Ziehen, kein Drücken, kein Geschrei und kein Köder; Abul Abbas rührte sich nicht von der Stelle und schien das auch für geraume Zeit nicht zu beabsichtigen. Händeringend blickte Isaak zum Abgrund links von ihnen und auf die senkrechte Wand zu seiner Rechten. Warum nur meuterte der Dickhäuter ausgerechnet an diesem Punkt, wo sich vor ihnen doch nichts Bedrohliches auftat? Das Tier war bislang ohne großen Widerstand sogar äußerst schmale und gefährliche Serpentinen hinaufgestampft und hatte sich in den Alpen überhaupt erstaunlich handzahm gebärdet. Es gab keinen ersichtlichen Grund für diese plötzliche Bockigkeit. Man muss ihn vorankitzeln, überlegte Isaak, jedes Tier hat doch empfindliche Weichteile, meistenteils in der Bauchgegend. Um den weißen Riesen dort zu kraulen, blieb ihm nichts anderes, als sich zwischen die Elefantenbeine zu begeben, die säulengleich in dem steinigen Pfad zu wurzeln schienen. Von ferne vernahm er ein Grollen. Jetzt bloß kein Gewitter, dachte er, dabei geraten Tiere doch bekanntlich in Panik. Der Elefant könnte sie alle mit in den Abgrund reißen. Prompt stieß Abul Abbas eine Fanfare aus. Es klang, als kündige er das Ende der Welt an. Und genau das schien sich zu bestätigen. Unter ungeheuerlichem Dröhnen stürzte eine gewaltige Lawine aus Schnee, Eis und Geröllmassen hernieder. Niemandem blieb mehr Zeit, Schutz zu suchen.

kapitel 14
    die kuppel
    Mein Schicksal ward mir gram, und doch, es ahnte nicht,
    Wie sich an meinem Stolz des Schicksals Tücke bricht.
    Es zeigte mir bei Nacht, was seine Feindschaft bringt;
    Ich zeigte ihm dagegen, wie Geduld bezwingt.
    Aus 1001 Nacht (die 824 . Nacht)
    aachen, ende april 802
    W ir haben die Kirche in der Form eines Okto- gons gebaut, mein Kaiser, weil die Acht die Zahl des glücklichen Anfangs ist«, referierte Odo, »sowie die der Taufe und der Auferstehung. Die Acht gilt zudem als das Symbol des Glücks, weshalb wir es für weise erachten, diese Zahl in der Kuppel wiederkehren zu lassen.«
    Karl hob eine Augenbraue und musterte die vier Köpfe, die erwartungsvoll seines Urteils harrten. Er ließ sich Zeit, rückte das Licht näher an das Pergament heran und studierte die Zeichnung, als sähe er sie zum ersten Mal.
    »Was meinst du, mein lieber Beseleel«, wandte er sich schließlich an Einhard. »Hat mein Architectulus mit diesem achtteiligen Klostergewölbe eine wahrhaftige Kuppel abgebildet?«
    »Es weist alle Merkmale einer solchen auf«, sagte Einhard vorsichtig. »Von unten wird das Auge den sanften Übergang von den steilen Wänden in das vollkommene Rund der Mitte kaum bemerken, und auch von außen wird die achteckige capella in einem Halbrund abgeschlossen sein.«
    »Aber wie bringt ihr die Steine dazu, in der Höhe zu … schweben?«, wandte sich Karl mit der entscheidenden Frage wieder an Odo.
    »Indem wir das bewährte Zeltdach verstärken und das Lehrgerüst auf dessen Balken setzen.«
    Wie einfach das jetzt klingt, dachte Lucas. Tagelang hatten die drei Baumeister über Ezras Vorschlag diskutiert. Odo hatte ihn zunächst rundum abgelehnt. Aber da er keine Alternative anzubieten hatte, gab er schließlich nach, allerdings nicht ohne auf zusätzliche Verstärkungen zu bestehen.
    Lange Eichenbalken sollten in den schrägen Laibungen der oberen Fenster abgestützt werden, sich in einem Punkt hoch über der Mitte des Bodens kreuzen und weiter nach oben streben, um die

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