Die Gärten des Mondes
Schlägen eiserner Hämmer erdröhnten. Blendend helle, silberne Lichtblitze ließen seine Augen schmerzen, und der Wind zerrte an seinem Gesicht.
In einem geschützten Winkel seines Verstandes bewahrte er sich ein Gefühl von Distanz, von Kontrolle. Innerhalb dieser ruhigen Zone konnte er denken, beobachten, analysieren. »Locke«, flüsterte er, »du bist zu weit gegangen. Zu tief vorgedrungen. Dieses Gewirr hat dich verschluckt und wird dich nie wieder ausspucken. Du verlierst die Kontrolle, Locke.« Aber diese Gedanken waren nur für ihn selbst bestimmt. Er wusste, dass die Puppe noch weit weg war.
Er beobachtete sich selbst, wie er weiter vordrang, wie er durch die Höhlen des Chaos wirbelte. Locke würde sich dem Zwang, ihn zu treffen, nicht entziehen können. Nur würde er von weiter unten hier heraufkommen. Plötzlich hatte der Schnelle Ben das Gefühl, auf den Füßen zu stehen. Der schwarze Fels unter seinen Füßen schien sich zu winden, gab bei seinen langsamen Zuckungen immer wieder helle, rötlich schimmernde Risse preis.
Als er sich umsah, erkannte er, dass er auf einem Felssparren stand, der schräg in die Höhle hineinragte. Der zackige Scheitelpunkt befand sich ungefähr ein Dutzend Fuß vor ihm. Er drehte sich um, und sein Blick folgte dem Sparren, der schräg abfiel und zwischen aufgeblähten gelben Wolken außer Sicht geriet. Einen kurzen Moment lang erfasste den Schnellen Ben ein Schwindelgefühl. Er , wankte, und dann, gerade als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, hörte er ein Lachen hinter sich. Er drehte sich um und sah Locke auf dem Scheitelpunkt thronen; sein hölzerner Körper war rußverschmiert und angesengt, die Kleider, die die Puppe einst getragen hatte, waren nur noch Fetzen.
»Dies ist der Sparren der Andii, nicht wahr?«, fragte der Schnelle Ben.
Lockes runder Kopf bewegte sich auf und ab. »Teilweise. Jetzt weißt du, wie weit ich gegangen bin, Magier. Bis zur Sohle des Gewirrs, wo die Macht ihre erste Form findet und alles möglich ist.«
»Nur nicht besonders wahrscheinlich«, sagte der Schnelle Ben und betrachtete die Marionette. »Wie fühlt man sich, wenn man in der Mitte all dieser Schöpfung steht und sie doch nicht berühren, nicht benutzen kann? Es ist zu fremd, nicht wahr? Es verbrennt dich, wann immer du danach greifst.«
»Ich werde es schon schaffen«, zischte Locke. »Du weißt nichts. Du weißt überhaupt nichts!«
Der Schnelle Ben lächelte. »Ich war schon früher hier, Locke.« Er betrachtete die um sie herumwirbelnden Gase, die von verschiedenen Luftströmungen hierhin und dorthin getragen wurden. »Du hast Glück gehabt«, sagte er. »Es gibt zwar nicht viele von ihnen, aber es gibt sie sehr wohl: Wesen, die dieses Gebiet ihr Zuhause nennen.« Er verstummte und grinste die Marionette an. »Sie mögen keine Eindringlinge. Hast du gesehen, was sie mit ihnen machen? Was hinterher noch von ihnen übrig ist?« Das Grinsen des Magiers wurde breiter, als er sah, wie Locke unwillkürlich zusammenzuckte. »Du hast es also gesehen«, sagte er ruhig.
»Du bist mein Beschützer«, schnappte Locke. »Ich bin an dich gebunden, Magier. Du trägst die Verantwortung, und das werde ich nicht für mich behalten, falls sie mich erwischen sollten.«
»Du bist an mich gebunden, in der Tat.« Der Schnelle Ben hockte sich hin. »Es ist gut zu hören, dass deine Erinnerung zurückgekehrt ist. Aber sag, wie geht es Flickenseel?«
Die Puppe sackte in sich zusammen, sah zur Seite. »Sie erholt sich nur langsam.«
Der Schnelle Ben runzelte die Stirn. »Sie erholt sich? Wovon?«
»Giar, ein Schattenhund, hat mich verfolgt und aufgespürt.« Locke bewegte sich unbehaglich. »Es hat ein Handgemenge gegeben.«
Das Gesicht des Magiers wurde immer finsterer. »Und?«
Die Puppe zuckte die Schultern. »Giar ist geflohen; euer Hauptmann hat ihn mit einem ganz gewöhnlichen Schwert schwer verwundet. Dann ist Tayschrenn gekommen, aber zu diesem Zeitpunkt war Flickenseel schon bewusstlos, daher hat er die Antworten nicht bekommen, nach denen er gesucht hat. Aber der Funke des Verdachts ist in ihm weiter geschürt worden. Er sendet seine Diener aus, und sie jagen in den Gewirren. Sie suchen nach Hinweisen, wer und was ich bin. Und warum es mich gibt. Tayschrenn weiß, dass euer Trupp in die Geschichte verwickelt ist, er weiß, dass ihr versucht, eure Haut zu retten.« Der wahnsinnige Blick der Puppe flackerte. »Er will, dass ihr sterbt, Magier, ihr alle. Was Flickenseel angeht
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