Die Gärten des Mondes
die Stufen hinunter und durchquerte die Haupthalle, hielt auf den Eingang zu. Roald kam soeben herein, förmlich begraben unter Vorräten. Kruppe bemerkte den Staub, der die Kleider des alten Mannes bedeckte. »Lieber Roald, Ihr seht aus, als hättet Ihr gerade einen Sandsturm überstanden. Benötigt Ihr Kruppes Hilfe?«
»Nein«, grunzte Roald. »Danke, Kruppe. Ich schaffe es allein. Würdet Ihr vielleicht so freundlich sein und die Türen schließen, wenn Ihr hinausgeht?«
»Aber natürlich, lieber Roald!« Kruppe tätschelte dem Mann den Arm und trat hinaus auf den Hof. Die Tore, die auf die Straße hinausführten, standen noch offen, und hinter ihnen konnte man eine wirbelnde Staubwolke sehen. »Ach ja, die Straßenarbeiter«, murmelte Kruppe.
Ein stechender Kopfschmerz war hinter seinen Augen erwacht, und der helle Sonnenschein machte alles nur noch schlimmer. Er war auf halbem Weg zum Tor, als er plötzlich innehielt. »Die Türen! Kruppe hat vergessen, die Türen zu schließen!« Er wirbelte herum und kehrte zu den Türen zurück; er seufzte, als sie sich mit einem befriedigenden Klick schlossen. Als er sich ein zweites Mal umwandte, rief jemand draußen auf der Straße etwas. Dann folgte ein lautes Krachen, doch das letzte Geräusch nahm Kruppe schon nicht mehr wahr.
Zusammen mit jenem gebrüllten Fluch tobte ein magischer Sturm durch seinen Kopf. Er fiel auf die Knie, dann ruckte sein Kopf nach oben; seine Augen weiteten sich. »Das«, flüsterte er, »war in der Tat ein malazanischer Fluch. Aber warum brennt dann das Bild von Haus Schatten wie Feuer in Kruppes Schädel? Wer wandelt jetzt durch die Straßen von Darujhistan?« Eine unendliche Anzahl von Knoten ... »Geheimnisse gelöst, mehr Geheimnisse geschaffen.«
Die Schmerzen waren verschwunden. Kruppe mühte sich auf die Beine und klopfte sich den Staub von seinen Kleidern. »Wie gut, dass besagte Heimsuchung nicht vor den Augen misstrauischer Wesen stattgefunden hat, stellt Kruppe mit Erleichterung fest. Und alles nur wegen eines Versprechens, das Kruppe Freund Roald gegeben hat. Kluger alter Freund Roald. Oponns Hauch ist diesmal willkommen, wenn auch nur widerwillig.«
Er trat ans Tor und spähte hinaus auf die Straße. Ein mit zerschmetterten Pflastersteinen gefüllter Karren war umgefallen. Zwei Männer stritten sich unablässig, wessen Schuld das gewesen war, während sie den Karren aufrichteten und sich daran machten, ihn wieder zu beladen. Kruppe musterte sie. Sie sprachen sehr gut Daru, doch wenn man lange und sorgfältig hinhörte, konnte man den Hauch eines Akzents erkennen - eines Akzents, der nicht hierher gehörte. »Oh, oh«, sagte Kruppe und trat einen Schritt zurück. Er rückte seinen Mantel zurecht, holte einmal tief Luft, dann öffnete er das Tor und schlurfte auf die Straße hinaus.
Der fette kleine Mann mit den flatternden Ärmeln trat aus dem Tor des Hauses und wandte sich nach links. Er schien in Eile zu sein.
Sergeant Elster wischte sich mit einem narbigen Unterarm den Schweiß von der Stirn; zum Schutz vor dem grellen Sonnenlicht hatte er die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen.
»Das ist er, Sergeant«, sagte Leida neben ihm.
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher.«
Elster sah zu, wie der Mann sich durch die Menge drängelte. »Was ist so Besonderes an ihm?«, fragte er.
»Ich muss zugeben«, erwiderte Leida, »dass es eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich seiner Bedeutung gibt. Aber er ist überaus wichtig, Sergeant.«
Elster kaute auf seiner Unterlippe, dann drehte er sich zu dem Wagen um, auf dessen Boden ein Stadtplan ausgebreitet war, dessen Ecken mit Steinen beschwert waren. »Wer wohnt in dem Haus?«
»Ein Mann namens Baruk«, erwiderte Leida, »ein Alchemist.«
Er starrte sie finster an. Woher wusste sie das? »Willst du damit sagen, der kleine fette Mann ist dieser Baruk?«
»Nein. Er arbeitet für den Alchemisten. Er ist kein Diener. Vielleicht ein Spion. Zu seinen Fähigkeiten gehört auch das Stehlen, und er besitzt... Talent.«
Elster sah auf. »Ist er ein Seher?«
Aus irgendeinem Grund zuckte Leida zusammen. Der Sergeant beobachtete nachdenklich, wie sie erbleichte. Verdammt, fragte er sich, was um alles in der Welt geht mit dem Mädchen vor?
»Ich glaube schon«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte.
Elster streckte sich. »In Ordnung. Folge ihm.«
Sie nickte unsicher und verschwand in der Menge.
Der Sergeant lehnte sich mit dem Rücken gegen die Seitenwand des Karrens. Sein
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