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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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größer, als er sie in Erinnerung hatte, fast so groß wie er, nicht länger das linkische Kind. Ihr Gesichtsausdruck verriet nichts, während sie ihn musterte.
    »Ich bin versetzt worden«, sagte Paran.
    »Hierher? Das hätten wir doch hören müssen.«
    Oh ja, das hättet ihr, nicht wahr? Dieses dauernde heimliche Geflüster unter den Familien, die miteinander in Verbindung stehen..
    »Es war nicht geplant«, räumte er ein, »aber trotzdem ist es geschehen. Ich bin allerdings nicht hier in Unta stationiert und werde nur ein paar Tage bleiben.«
    »Bist du befördert worden?«
    Er lächelte. »Bringt die Investition schon Gewinn? So zögerlich sie am Anfang auch gewesen sein mag, so müssen wir doch immer in den Kategorien von möglichem Einfluss denken, nicht wahr?«
    »Es ist nicht länger deine Aufgabe, dich um die gesellschaftliche Stellung dieser Familie zu kümmern.«
    »Oh, dann ist es jetzt also deine? Hat Vater sich aus dem Tagesgeschehen zurückgezogen?«
    »Das tut er langsam. Seine Gesundheit ist ziemlich angegriffen. Wenn du gefragt hättest, auch als du in Itko Kan warst ...«
    Er seufzte. »Versuchst du immer noch, den Verlust wieder gutzumachen, Tavore? Nimmst die Last meines Fehlverhaltens auf dich? Aber wie du dich vielleicht erinnerst, habe ich dieses Haus wohl kaum auf einem Blütenteppich verlassen. Sei's drum, ich war immer davon überzeugt, dass die Angelegenheiten unseres Hauses in tüchtige Hände fallen würden...«
    Ihre farblosen Augen verengten sich, doch der Stolz verbot es ihr, die offensichtliche Frage zu stellen.
    »Und wie geht es Felisin?«, fragte er.
    »Sie ist mit ihren Studien beschäftigt. Sie weiß noch nicht, dass du zurückgekommen bist. Sie wird sich sehr freuen, und es wird sie hart treffen, wenn sie erfährt, wie kurz dein Besuch sein wird.«
    »Ist sie jetzt deine Rivalin, Tavore?«
    Seine Schwester schnaubte, wandte sich ab. »Felisin? Sie ist zu weich für diese Welt, Bruderherz. Ich glaube fast, für jede Welt. Sie hat sich nicht verändert. Sie wird sich freuen, dich zu sehen.«
    Er blickte ihr nach, sah ihren steifen Rücken, als sie die Halle verließ.
    Er roch nach Schweiß - seinem eigenen und dem des Pferdes -und Schmutz, und noch nach etwas anderem ... Altes Blut und alte Ängste. Paran sah sich um. Viel kleiner, als ich es in Erinnerung hatte.

Kapitel Zwei
    Mit der Ankunft der Moranth
    wechselten die Gezeiten.
    Und wie Schiffe im Hafen
    wurden die Freien Städte
    von der Imperialen Flut hinweggespült.
    Der Krieg trat in sein zwölftes Jahr,
    das Jahr des Zerschmetterten Mondes
    und seiner unerwarteten Brut
    aus tödlichem Regen
    und schwarz geflügelter Verheißung.
    Zwei Städte blieben übrig,
    sich dem malazanischen Ansturm entgegenzustellen.
    Die eine stark, mit stolzen Bannern
    unter den mächtigen Schwingen des Dunkels.
    Die andere uneins -
    ohne Armee,
    aller Verbündeten beraubt.
    Die starke Stadt fiel zuerst.
     
    Die Anrufung des Schattens
    Felisin (geb. 1146)
     
    Das Jahr 1163 von Brands Schlaf (zwei Jahre später)
    Das Jahr 105 des Imperiums von Malaz
    Das Jahr 9 der Herrschaft von Imperatrix Laseen
     
    R aben schwirrten durch geisterhafte Rauchfahnen. Ihr heiseres Krächzen mischte sich mit den Schreien der verwundeten und sterbenden Soldaten. Der Gestank von verschmortem Fleisch hing schwer und drückend in der Luft.
    Ganz allein stand Flickenseel auf dem dritten Hügel, der einen Blick auf die gefallene Stadt Fahl gewährte. Um die Zauberin herum lagen säuberlich aufgestapelt die Überreste verbrannter Waffen und Rüstungen: Beinschienen, Brustpanzer und Helme. Noch vor einer Stunde hatten Männer und Frauen diese Rüstungen getragen, doch von ihnen war keine Spur zu sehen. Das leere Metall erschien ihr wie eine stumme Anklage.
    Sie hatte die Arme verschränkt und hielt sie eng an die Brust gepresst. Ihr tiefroter Umhang mit dem silbernen Abzeichen, das sie als Anführerin des Magier-Kaders der Zweiten Armee auswies, hing fleckig und versengt um ihre Schultern. In ihr ovales, fleischiges Gesicht hatten sich tiefe Linien eingegraben, die ihre Wangen bleich und schlaff wirken ließen; von dem pausbäckigen Humor, den es normalerweise ausstrahlte, war nichts mehr übrig geblieben.
    Unberührt von all den Geräuschen und Gerüchen, die sie umgaben, lauschte Flickenseel auf eine tiefere Stille. Zu einem gewissen Teil rührte diese Stille von den leeren Rüstungen, die um sie herumlagen - wobei die Tatsache, dass sie jetzt leer waren, dass die

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