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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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unterschätzt, das ist alles.«
    Flickenseel starrte in Bellurdans gezeichnetes Gesicht. Die Erinnerung an Lockes zerfetzten Körper kehrte zu ihr zurück. Da war ein Echo, das sie jedoch nicht richtig zu fassen bekam. »Ich erinnere mich gut daran, wie alles angefangen hat«, sagte sie sanft und durchforschte ihrerseits ihr Gedächtnis. Die Erinnerungen selbst waren deutlich, doch noch immer wusste sie nicht, durch welchen Faden das Jetzt mit dem Damals verbunden war. Es drängte sie, mit dem Schnellen Ben zu sprechen, doch sie hatte die Brückenverbrenner seit dem Tag der Schlacht nicht mehr gesehen. Sie hatten sie mit Locke zurückgelassen, und die Puppe jagte ihr von Tag zu Tag mehr kalte Schauer über den Rücken. Vor allem jetzt, da er einen Grund gefunden hatte, ihr zu grollen - die Szene mit den Drachenkarten nagte noch immer an ihm -, und er verschlimmerte alles noch weiter, indem er sich in Schweigen hüllte. »Der Imperator hatte das Talent, die richtigen Leute um sich zu versammeln«, fuhr sie fort. »Aber er war kein Narr. Er wusste, dass ihm aus genau dieser Gruppe auch Verrat drohen würde. Unsere Macht hat uns zu den richtigen Leuten gemacht. Ich erinnere mich sehr gut, Bellurdan.« Sie schüttelte den Kopf. »Der Imperator ist tot, aber die Macht ist noch immer hier.«
    Flickenseel schnappte überrascht nach Luft. »Das ist es«, sagte sie, halb zu sich selbst. »Tayschrenn ist der Faden.«
    »Der Imperator war wahnsinnig«, sagte Bellurdan. »Sonst hätte er sich besser geschützt.«
    Flickenseel runzelte bei diesen Worten die Stirn. Der Thelomen hatte auf eine wichtige Tatsache hingewiesen. Aber wie sie gerade gesagt hatte, der alte Mann war kein Narr gewesen. Was also war passiert? »Es tut mir Leid. Wir müssen uns später weiter unterhalten. Der Hohemagier hat mich zu sich gerufen. Werden wir uns später noch einmal unterhalten, Bellurdan?«
    Der Riese nickte. »Wenn du es wünschst. Schon bald werde ich aufbrechen, um Nachtfrosts Grabhügel zu errichten. Wahrscheinlich weit draußen auf der Rhivi-Ebene.«
    Flickenseel spähte zur Mündung des Durchgangs. Der Soldat stand noch immer da, trat nervös von einem Bein aufs andere. »Bellurdan, hast du etwas dagegen, wenn ich einen Siegelzauber über ihre Überreste spreche?«
    Seine Augen verschleierten sich, und er senkte den Blick, betrachtete den Sack neben sich. »Die Wachen sind unglücklich, das ist wahr.« Er dachte einen Augenblick nach, bevor er sagte: »Ja, Flickenseel, du kannst deinen Zauber sprechen.«
    »Es stinkt von hier bis zum Thron«, sagte Kalam, das narbige Gesicht sorgenvoll verzogen. Er hockte zusammengekauert da, kratzte abwesend mit dem Dolch ein Muster in die Erde und schaute schließlich zu seinem Sergeanten auf.
    Elster musterte Fahls besudelte Wälle; unter dem Bart traten seine Kiefermuskeln hervor. »Als ich das letzte Mal auf diesem Hügel gestanden habe, war er von Waffen und Rüstungen übersät«, sagte er. »Außerdem waren anderthalb Magier hier.« Er verstummte für einige Augenblicke, dann seufzte er. »Sprich weiter, Korporal.«
    Kalam nickte. »Ich habe an ein paar alten Fäden gezogen«, sagte er und kniff die Augen gegen das grelle Morgenlicht zusammen. »Irgendjemand ganz weit oben hat uns aufs Korn genommen. Es könnte der Hof sein, oder vielleicht auch der Adel - es gibt Gerüchte, dass die Hochwohlgeborenen hinter den Kulissen wieder mitmischen.« Er verzog das Gesicht. »Und jetzt sollen wir einen neuen Hauptmann aus Unta bekommen, der ganz wild darauf ist, uns die Kehlen durchschneiden zu lassen. Vier Hauptmänner in drei Jahren - und nicht einer von ihnen war sein Gewicht in Salz wert.«
    Der Schnelle Ben stand in zehn Fuß Entfernung am Rande der Hügelkuppe, die Arme vor der Brust verschränkt. »Du kennst den Plan«, mischte er sich jetzt ein. »Komm schon, Elster. Der Mann ist vom Palast aus direkt in unseren Schoß gerutscht, und zwar auf einem Strom aus ...«
    »Still«, murmelte Elster, »ich denke nach.«
    Kalam und der Schnelle Ben wechselten einen Blick.
    Eine lange Minute verstrich. Auf der Straße unter ihnen rumpelten Wagen in den Fahrspuren, die in die Stadt führten. Es waren die kläglichen Überreste der Fünften und Sechsten Armee, von Caladan Bruth und der Karmesin-Garde übel zugerichtet und so gut wie zerschmettert. Elster schüttelte den Kopf. Die einzige noch intakte Streitmacht waren die Moranth, und die schienen fest entschlossen, nur die Regimenter der Schwarzen ins Feld zu

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